Fahrbericht

Teslas Model S: Das Apple-Auto mit dem großen T

Baut Apple ein Auto? Vielleicht, vieles spricht dafür und etliche Indizien lassen sich so deuten. Teslas Model S gilt als Vorbild für ein iCar. Der Erfolg eines Elektroautos hängt von Batterie und Ladestationen ab. Wie gut beides bei Tesla ist, will der US-Hersteller mit einer Supercharger-Rallye von Hamburg nach München belegen. Wir sind mitgefahren, haben Tagebuch geführt und können so einen Fahrbericht aus erster Hand liefern.

Von   Uhr

Die Sonne lacht über Hamburgs südlichen Stadtteil Harburg, als sich die Rallye-Teilnehmer am Privathotel Lindner treffen. Hier stehen zwei Supercharger-Ladesäulen, die mit Strom aus Sonnenlicht und anderen regenerativen Energiequellen gespeist werden. Das silberne T an den acht Model S glänzt im Sonnenlicht. Mit den Elektroautos geht es einmal durch die Republik. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um das Tesla-eigene Ladenetz. Das US-Unternehmen betreibt aktuell 39 Schnellladestationen in Deutschland, 164 sind es in Europa. Somit sind Fahrten vom norwegischen Tromsø im Norden bis ins italienische Arezzo im Süden, vom englischen Exeter im Westen bis zur österreichischen Hauptstadt Wien im Osten möglich, wenn man an den Superchargern aufladen möchte. Tesla ist bislang der einzige Autohersteller mit eigenem Ladenetz. Natürlich kann man die Limousine an der heimischen Steckdose (27 km / 30 Minuten Ladezeit), an öffentlichen Ladesäulen (136 km/ 30 Min.) laden, aber nur am Supercharger erhält die Batterie dank Gleichstrom-Ladung 270 km pro 30 Minuten Ladezeit an Reichweite.

Beschleunigung: Wahnsinn

Der 17 Zoll große Bildschirm zwischen Fahrer und Beifahrer zeigt 412 km Reichweite an, als wir lautlos vom Hotelparkplatz rollen. Auf dem Rücksitz hat Philipp Schröder Platz genommen. Der 31-jährige ist Country Director Deutschland und Österreich bei Tesla Motors. Man sollte meinen, er ist eingefleischter Auto-Experte, doch weit gefehlt. Schröder arbeitete zuvor für Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien und wird in Kürze auch dorthin zurück wechseln. „Ich besitze gar kein Auto, habe nur eine BahnCard 100“, berichtet Schröder. Wir verlassen Harburg und fahren auf die A7 in Richtung Süden. Den Beschleunigungsmodus des Tesla Model S habe ich von Normal auf Wahnsinn gestellt. Jetzt beschleunigt der Wagen in 3,3 Sekunden von Null auf 100 km/h. Beeindruckend, aber noch beeindruckender finde ich die Wortwahl. Man stelle sich die Diskussionen bei einem deutschen Autohersteller vor. Ich bin mir sicher, da wären ein Dutzend Juristen mit Argumenten am Start, warum man das nicht „Wahnsinn“ nennen könnte. Ein sanfter Druck auf das Gaspedal, das hier eigentlich Strompedal heißen muss und die 2,1 Tonnen beschleunigen lautlos. Es drückt alle Insassen sanft in ihre Sitze. „Das nennen wir den Tesla-Moment“, sagt Schröder. Von der lautlosen Beschleunigung ist jeder bei Testfahrten begeistert, das Gefühl kennt man sonst nur aus der Achterbahn. Ihren Tesla-Moment hatten sicherlich die Apple-Manager bereits. Sie sind alle Auto-verrückt: Der Chef für Software und Services, Eddy Cue, sitzt im Aufsichtsrat von Ferrari. Marketingchef Phil Schiller nennt in seinem Twitter-Profil Autos direkt nach Apple und Sport als Interessen. Finanzchef Luca Maestri hat 20 Jahre lang für General Motors gearbeitet. Design-Boss Jonathan Ive besitzt eine beeindruckende Auto-Sammlung, vornehmlich britischer Hersteller vom Bentley Brooksland bis zum Aston Martin Vanquish. Sicher begegnet ihnen auf dem Weg zur Arbeit das Elektroauto dutzendfach. Das Model S ist das Statussymbol der Tech-Branche im Silicon Valley. Die Fertigung in Fremont ist nur 30 Kilometer von der Apple-Zentrale entfernt.

Serienunternehmer: Elon Musk

Elon Musk wird am 28. Juni 1971 als ältester von fünf Söhnen in Pretoria geboren. Sein Vater ist Maschinenbau-Ingenieur, seine Mutter, ein kanadisches Foto-Model. Mit gerade mal 16 Jahren wandert Elon zusammen mit seinem Bruder Kimbal nach Kanada aus. Das Verhältnis zu seinem Vater beschreibt Musk in seiner Biografie als schwierig. Elon beginnt ein Studium an der Queen’s University in Kingston, Ontario und beendet es mit Abschlüssen in Wirtschaft und Physik an der University of Pennsylvania in den USA. Während des New Economy-Booms gründen Elon und Kimbal Zip2. Sie vermarkten elektronische Landkarten mit Branchenbucheinträgen. 1999 kauf Compaq für 307 Millionen Dollar das Unternehmen. Musk gründet das Online-Bezahlsystem X.com, welches 2000 mit Confinity und seinem Produkt PayPal fusioniert. 2002 übernimmt eBay den Bezahldienst für 1,5 Milliarden Dollar. Elon Musk investiert sein Geld in Space Exploration Technologies, kurz Space X. Das langfristige Ziel sind bemannte Flüge zum Mars. Im Jahr 2003 gehört Musk neben den Google-Gründern zu den frühen Investoren bei Tesla Motors. Seit 2006 sitzt er als wichtigster Investor im Kontrollgremium von SolarCity. Der größte Service Provider für Solarenergie der USA installiert und betreibt Solarmodule auf Dächern von Privathäusern.

Stauraum ohne Ende

Während wir die Harburger Berge hinter uns lassen, erläutert Schröder die Details unseres Tesla S P85D. Das P seht für Performance, der Wagen hat die schnellste Beschleunigung. Die 85 Kilowatt fassende Batterie reicht im Idealfall für 480 Kilometer. Das D steht für Dual, der Wagen hat zwei Motoren und somit Allrandantrieb. Der Frontmotor leistet 224 PS und der Heckmotor 476 PS, macht zusammen 700 PS. Da die Elektromotoren zwischen den Achsen sitzen, die Batteriezellen im Boden stecken, Antriebswelle und Auspuffanlage fehlen, bleibt innen viel Platz. Unter der vorderen Haube ist zusätzlicher Stauraum für zwei Reisetaschen. Der Kofferraum ist riesig, hier haben vier Koffer Platz. Zwischen Fahrer und Beifahrer klafft eine bodentiefe Ablage. Schön, aber man muss ungewohnt tief greifen, um an die Dinge zu kommen. Dafür gibt es zwei USB-Anschlüsse für die Gadgets von Fahrer und Beifahrer.

Vom Tesla-Konzept war Apples Übervater Steve Jobs schon früh überzeugt, wenn man Millard S. Drexler glauben darf. Drexler ist CEO der Bekleidungskette J. Crew und saß bis vor kurzem im Apple-Aufsichtsrat. In einem Board-Meeting habe Jobs vor einigen Jahren das Konzept des ersten Tesla Roadster in höchsten Tönen gelobt und wollte am liebsten selbst ein iCar entwickeln. Das hätte sicherlich auch einen Elektromotor gehabt. Der ist klein, praktisch und ausgereift. Bei den Batterien ist sicherlich noch Luft nach oben. Doch das Geheimnis für den Erfolg eines Elektroautos steckt in der Software.  Wenn Apple etwas kann – neben Design – dann ist es Code. Beim Elektroauto geht es in erster Linie um das Energiemanagement: Wann wird wie viel Energie aus welcher Batterie-Zelle bezogen und wie viel Bewegungsenergie fließt durch Rekuperation beim Bremsen zurück. Sobald ich meinen Fuß vom Strompedal nehme, wechselt die rechte Tacho-Seite in den grünen Bereich und zeigt mir, wie viel Energie in die Batterien fließt. Auf der gesamten Fahrt muss ich selten die Bremse treten, die Verzögerung reicht meist aus. Schon nach 90 Kilometern auf der A7 lotst mich das Navi in Bad Fallingbostel von der Autobahn. Die Batterie hätte noch ausreichend Energie bis zum heutigen Etappenziel in Kassel. Doch ich soll möglichst viele Ladestationen kennenlernen. Die meisten Supercharger-Stationen befinden sich auf Autohöfen in direkter Autobahnnähe. Der erste Stopp ist allerdings am Rande eines Musterhausparks. Ich nehme das schwarze Ladekabel aus der Halterung und nähere mich dem Anschluss am Heck. Automatisch öffnet sich die Klappe. Sobald der Stecker drin ist und Strom fließt, blinken drei grüne Leuchten. Auf dem Bildschirm im Wagen sehe ich, mit welcher Stärke (Ampere) die Energie fließt und wie sich die Reichweite erhöht. Tesla-Besitzer haben eine iPhone-App, die Ladezustand und Reichweite anzeigen. So können sie ins Restaurant oder zur Toilette gehen und müssen nicht am Wagen bleiben.

Wir fahren wieder auf die A7 und endlich kommt ein Stück ohne Tempolimit. Das Model S wurde für Länder mit einem Tempolimit unterhalb von 130 km/h konstruiert. Doch für Deutschland gibt es eine Ausnahme. Per Software-Update können sich Besitzer das Limit auf 250 km/h hochdrehen lassen. Das will ich ausprobieren und trete das Pedal durch. Sanft und ohne aufheulenden Motor beschleunigt der Wagen. Leider regelt die Software bei Tempo 215 km/h ab. Das Update ist also noch nicht installiert. Doch Tempo 250 km/h könnte ich auch nur einige Minuten fahren. Zum einen wäre die Batterie schnell leer, zum anderen droht sie zu überhitzen, so dass die Software den Fahrer einbremst. Kurz vor Hannover ist sowieso Schluss mit schnellem Fahrspaß, wir stehen im Stau. Aber selbst das ist spannend, denn ich beobachte die anderen Fahrer, wie sie auf unsere Kolonne von acht Model S reagieren. Ein älterer Herr regt anerkennend den Daumen beim Vorbeirollen. Andere schauen neugierig. Erkannt wird das Elektroauto, auch wenn es mit 1.728 zugelassenen Model S im deutschen Straßenbild noch eine Seltenheit ist. Vor unserem Tagesziel in Kassel tanken wir noch Energie an den Superchargern in Rühden und Lutterberg. Wie gesagt, nötig wäre das nicht gewesen.

Noch vor dem Frühstück geht es mit dem Fotografen auf die Wilhelmshöhe zum Herkules-Denkmal. Sofort ist der Wagen umringt von neugierigen Touristen, diesmal aus China. In dem asiatischen Land stehen nach den USA die meisten Supercharger. Der Markt für Oberklasse-Fahrzeuge wächst hier rasant und Tesla muss beweisen, dass ein Elektroauto mithalten kann. Der große Vorteil: Per WLAN oder 3G-Mobilfunknetz bringen Software-Updates neue Funktionen, ohne dass der Wagen in eine Werkstatt muss. Der Reiseplaner im Navi ist so ein Beispiel. Ich gebe das heutige Tagesziel, den Marktplatz in Wiesbaden, ein. Der Reiseplaner berechnet die Strecke entlang der Supercharger-Stationen, an denen ich laden muss. Die notwendige Zeit für den Ladestopp wird minutengenau einkalkuliert, so dass die geschätzte Ankunftszeit sehr präzise ist. „Mit dem Reiseplaner nehmen wir den Fahrer das, was als ,Reichweitenangst‘ bekannt war“, sagt Schröder. Da in der Nacht nicht alle Model S an die Steckdose in der Hoteltiefgarage konnten, sagt mir die Routenführung, dass mein erster Ladestopp bereits nach 40 Kilometerm auf dem Autohof Malsfeld ist.

Danach aktiviere ich die Assistenzsysteme. In den USA hat Tesla bereits vorgeführt, wie der Autopilot auf Autobahnen die Kontrolle übernimmt. Der Fahrer muss nichts mehr tun. Die Technik ist auf öffentlichen Straßen – in beiden Ländern – noch nicht zugelassen. Mein Testfahrzeug verfügt über einen Toter-Winkel-Warner, Spurhalteassistent, Auffahrwarner, Überholbeschleunigung und einen Geschwindigkeitslimit-Assistenten. Eine Menge Helferlein, die vor allem in Kombination viel Spaß bereiten. Ich stelle das Limit auf 120 km/h und zwei Autolängen Abstand. Jetzt nehme ich den Fuß vom Pedal und muss nur noch lenken. Der Wagen hält konstant Abstand zum Vorausfahrenden, beschleunigt der, macht mein Wagen das auch, aber nie über die Höchstgeschwindigkeit hinaus. Drängelt sich jemand dazwischen, bremst mein Model S sanft ab. Ist mir der Vordermann zu langsam, setze ich den Blinker und der Wagen beschleunigt automatisch und hängt sich zwei Autolängen hinter den nächsten Wagen. Großartig, so entspannt bin ich noch nie Auto gefahren. Vor allem in Baustellen, das Elektroauto bremst automatisch und hält sicheren Abstand, nach dem Engpass beschleunigt der Wagen automatisch wieder.

Tesla Motors

Die Firmierung geht zurück auf den serbisch-stämmige Physiker Nikola Tesla, der Ende des 19. Jahrhunderts in den USA den mehrphasigen Wechselstrommotor erfand. Das erste Tesla-Auto, ein zweisitziger Roadster, sollte 2006 ausgeliefert werden, doch es verzögerte sich bis Frühjahr 2008. Seit 2013 gibt es das Model S in Deutschland zu kaufen. Im selben Jahr geriet das Unternehmen in einen finanziellen Engpass, so dass Elon Musk es Google für sechs Milliarden Dollar zum Kauf anbot. Doch gute Zahlen sorgten für einen steigenden Börsenkurs, der letztendlich zu neuen Krediten führt. Für Ende September 2015, ab 2016 in Deutschland, ist das Model X angekündigt. Die hinteren Türen schwingen nach oben auf. Mit den so genannten Falkentüren kann man in engen Parklücken leichter kleine Kinder in ihren Sitz heben. Für die Mischung aus SUV und Kleinbus liegen angeblich bereits 24.000 Bestellungen vor, doppelt so viele wie beim Verkaufsstart des Model S. Für 2017 ist der Produktionsstart des Model 3 vorgesehen, dem Elektroauto für den Massenmarkt. Musks ursprüngliche Idee für die Typenbezeichnungen waren die drei Buchstaben S, E, X. Doch Ford widersprach einem Markenschutz für Model E und machte so dem Scherz von Musk einen Strich durch die Rechnung.

Das Feld nicht Google überlassen

Der Komfort steckt in Sensoren und Software. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum autonomen Fahren. Das wird für Autohersteller und Technik-Konzerne das nächste große Ding. Schließlich ist ein Auto das mobile Gadget schlechthin, das die meisten Menschen täglich nutzen. Google testet bereits selbstfahrende Autos auf öffentlichen Straßen in den USA und kooperiert bei „Android Auto“ mit diversen Autoherstellern. Apple bietet bislang nur CarPlay für die iPhone-Nutzung im Fahrzeug. Doch das Feld will man nicht Google überlassen. Laut einem Bericht des Wall Street Journals arbeiten bereits einige hundert Menschen unter dem Codenamen Titan an einem Apple-Auto. Tim Cook, Jobs Nachfolger als CEO, habe schon vor einem Jahr das Budget dafür bewilligt. Unter der Leitung von Steve Zadesky, der zuvor für Ford tätig war, wird ein Entwicklerteam mit bis zu 1.000 Leuten zusammengestellt. Im Design-Team von Apple arbeitet mit Julian Hönig bereits ein erfahrener Fahrzeug-Designer, der zuvor für Audi und Lamborghini gearbeitet hat. Seit vergangenem Herbst steht der ehemalige Chef der Entwicklungsabteilung von Mercedes-Benz in Nordamerika, Johann Jungwirth, auf Apples Gehaltsliste. Sein Spezialgebiet: Connected Cars. Falls es noch eines Belegs bedarf, hilft ein Blick auf Apple Finanzen. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres investierte der Konzern knapp zwei Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung. Das ist ein halbe Milliarde mehr als im gleichen Vorjahresquartal. „Es sieht ganz so aus, als ob das Management grünes Licht für Apples nächstes Großprojekt gegeben hat. Ich vermute, Apple hat damit begonnen, an Batterien, Telematik und dem autonomen Fahren im Bereich Personentransport zu arbeiten,“ schreibt Analyst Neil Cybart von Above Avalon.

Kaufen oder selber machen?

Das könnte Apple günstiger haben. Tesla hat einen Börsenwert von rund 33 Milliarden Dollar, Apple verfügt über Barreserven von knapp unter 200 Milliarden Dollar. Doch fraglich ist, ob Elon Musk überhaupt verkaufen würde. Der Unternehmer hat mit Tesla mehr vor, als nur Elektroautos zu verkaufen. Derzeit baut das Unternehmen in der Wüste von Nevada die weltgrößte Batteriefabrik. Die Gigafactory wird zudem mit einer Nutzfläche von über einer Million Quadratmetern das größte Produktionsgebäude der Welt. Ab 2017 entstehen hier nicht nur Batterien für Autos, sondern auch für Privathäuser und Gewerbebetriebe. Die sogenannte Powerwall soll das Dilemma beim Solarstrom lösen. Typische Haushalte benötigen früh morgens und abends den meisten Strom. Die höchste Ausbeute erzielen Solarzellen jedoch gegen Mittag. Entweder verpufft die Energie oder man gibt sie zu einem geringeren Preis an den Energiekonzern ab als man abends beim Bezug bezahlt. Mit einer Batterie werden die Solarzellenbesitzer etwas unabhängiger. In Deutschland kooperiert Tesla beim Powerwall-Vertrieb mit dem Energie- und IT-Unternehmen LichtBlick. Das Hamburger Unternehmen verfügt bereits über die Plattform „SchwarmDirigent“, bei der Batterien den überschüssigen Wind- und Sonnenstrom aufnehmen und bei Flaute wieder in das Netz einspeisen. Verbraucher, die ihre Batterie in den Schwarm integrieren, werden an den Erlösen des Stromverkaufs beteiligt. In den USA übernimmt SolarCity, der größte Solarenergie-Provider, den Batterie-Vertrieb. Hier ist Elon Musk Investor und seine beiden Cousins leiten das Unternehmen. Somit schließt sich der Kreis: Musk geht es um nachhaltigen Transport und massive Reduktion von Treibhausgasen bei der Energiegewinnung. Er will unseren Planeten retten. Das Paradoxe: Mit seinem Unternehmen Space X baut er Raketen, um Menschen zum Mars zu bringen – dauerhaft. Er will, dass sich die Menschheit zu einer multi-planetaren Spezies entwickelt.

Derweil fahre ich durch Hessen. Von der A7 geht es auf die A5, die allerdings kurz hinter Alsfeld unfallbedingt gesperrt ist. Also wechsle ich auf die Bundesstraße. Das Navi mit den Karten- und  Verkehrsdaten von Google erkennt das und berechnet eine neue Route durch den Wetteraukreis zum Supercharger in Neuberg. Auf der Landstraße macht das Elektroauto noch mehr Spaß. Fenster runter, Schiebedach auf und selbst bei Tempo 100 hört man die Vögel in den Bäumen zwitschern. Das Model S hat die Agilität eines Sportwagens und dank des tiefen Schwerpunkts die Straßenlage eines Panzers. Wie auf Schienen rauscht das Model S durch enge Kurven. Den Trecker vor mir zu überholen ist beschleunigungstechnisch ein Leichtes, nur wird es neben seinen Zwillingsreifen und meiner Breite von 2,20 Meter etwas eng.

Auf Höhe des malerischen Nidda-Stausees erscheint im Navigations-Fenster die Warnung: „Langsam Fahren, um Ihr Ziel zu erreichen.“ Ich habe den Wagen ordentlich getreten und komme mit gerade mal 23 km Restreichweite am Supercharger an. Hier treffe ich Cal Lankton. Auf seiner Visitenkarte steht Director Global EV Infrastructure. Mit seinem Team arbeitet er am weltweiten Tesla-Supercharger-Netz. „Die ersten zehn Stationen waren die schwersten“, berichtet Lankton. Die Betreiber der Autohöfe wussten nicht, auf was sie sich einlassen und was es ihnen bringt, dass sie bis zu acht Parkplätze für Tesla-Fahrer reservieren. Über die Hälfte aller Ladevorgänge in Deutschland geht auf ausländische Fahrer zurück. Es bringt also neue Kunden. Das sieht auch der klassische Tankstellenbetreiber Orlen so. Auf zwei autobahnnahen Star-Tankstellen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg werden jetzt Supercharger installiert. Insgesamt eine Billion Kilometer sind die Tesla S-Fahrer bislang weltweit gefahren. Die deutschen Besitzer haben rund ein Viertel dazu beigetragen. Das Fahren mit Strom hat rund 570.000 Tonnen CO2 eingespart.

Beim Etappenziel auf dem Marktplatz in Wiesbaden kommen 35 Tesla S zusammen. Die Flotte lenkt die Blicke der Passanten auf sich. In vielen Gesprächen hört man: „Das wäre ein Wagen für mich.“ Doch ohne Subventionen gibt es in Deutschland für den Kauf eines Elektroautos wenig Anreize, abgesehen von der KFZ-Steuer, die zehn Jahre lang erlassen wird. Damit hatte die Bundesregierung eigentlich mal das Ziel ausgegeben, bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben. Davon sind wir weit entfernt. Die Halbjahresbilanz 2015 des Kraftfahrbundesamts verzeichnet rund 24.000 reine Elektroautos. Doch für den Kauf der Elektrolimousine sprechen andere Gründe. „Wenn ich früher mit meiner S-Klasse zu Kunden kam, hieß es Bonzen-Auto. Jetzt heißt es: Wow, ein Tesla, wie fährt der sich denn?“, berichtet mir ein Unternehmer beim Abendessen in Wiesbaden. In der Oberklasse liege der Tesla S bereits auf Platz 3 bei den Zulassungen, fand Ferdinand Dudenhöfer, Direktor des Center Automotiv Research an der Uni Duisburg-Essen heraus. Er bereinigte die Zulassungszahlen um Anmeldungen von Herstellern, Händlern und Vermietern. Danach liegt das Model S in den ersten vier Monaten des Jahres nach der Mercedes S-Klasse und dem Audi A8 auf Platz drei, noch vor Porsche Panamera und dem 7er BMW.

Zum Start der letzten Etappe nehme ich auf dem Beifahrersitz Platz und werfe einen Blick in den Spiegel an der Sonnenblende. Der ist immer noch unbeleuchtet und die Abdeckklappe ist einem 100.000 Euro teuren Auto nicht würdig. Im Vergleich zur ersten Version ist das Model S P85D in seiner Verarbeitung zwar um Längen besser geworden, kommt aber nicht an das heran, was deutsche Autokäufer in dieser Preisklasse gewohnt sind.

Das Auto ist und bleibt ein Statussymbol, auch wenn Smartphone, Tablet und (Smart-) Watch inzwischen eine ähnliche Außenwirkung haben. Apple hat das früh erkannt und sich vom Technik- zum Lifestyle-Konzern gewandelt. Das belegt unter anderem die Besetzung des Vorstandsressorts Handel mit der ehemaligen Burberry-Chefin Angela Ahrendts. Tesla eifert dem nach und engagiert den ehemaligen Burberry-Manager Ganesh Srivats als Vertriebsverantwortlichen für Nordamerika. „Das macht absolut Sinn“, sagt Scott Galloway, Marketing-Professor an der New Yorker Stern School of Business gegenüber Bloomberg, „Tesla ist keine Autohersteller, sondern ein Luxus-Unternehmen.“

Beim Autoverkauf in den USA kommt noch eine Besonderheit hinzu. In vielen Staaten dürfen Autohersteller nicht direkt an Kunden verkaufen, sondern sind auf eigenständige Händler angewiesen. Ein enormes Hindernis für Tesla. Im ersten Halbjahr verkaufte das Unternehmen zwar weltweit 21.537 Autos, rund 50 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, doch schreibt der Konzern noch Verluste. Die eigenen Läden, die Gigafactory und der Aufbau der Supercharger verschlingen viel Geld. In Europa droht weiteres Ungemach bei den Schnellladern. Die Europäische Union hat eine Ladesäulenverordnung erlassen, nach der jeder Elektroauto-Fahrer an jeder Ladesäule Energie tanken soll. Eigentlich eine gute Idee, um das Durcheinander bei Ladesystemen zu vereinheitlichen und der Technik zum Durchbruch zu verhelfen. In Deutschland muss das Wirtschaftsministerium die Verordnung in deutsches Recht umarbeiten. Im Entwurf wird das Combined Charging System favorisiert, den CCS-Stecker nutzen die meisten deutschen Autohersteller für ihre Modelle. Wird das so umgesetzt, müsste Tesla alle kommenden Stationen zusätzlich mit diesem Stecker ausstatten und auch noch ein Abrechnungssystem implementieren. Die Fahrzeuge der Wettbewerber dürften sicherlich nicht kostenlos Energie laden.

Von Wiesbaden geht es weiter in Richtung Heidelberg. Wir passieren das Rhein-Neckar-Stadion, die Heimat der TSG Hoffenheim, auf der anderen Seite der Autobahn ragt die Nase einer Concorde in die Luft. Das Überschallflugzeug gehört zum Auto- und Technikmuseum in Sinsheim. Hier steht auch ein Columbia, ein Elektroauto, das angeblich mal John D. Rockefeller gehört haben soll. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fuhren in den USA 40 Prozent der Autos dampfbetrieben, 38 Prozent elektrisch und nur 22 Prozent mit Benzin. 1912 waren in den USA rund 34.000 Elektrofahrzeuge von 20 Herstellern zugelassen. Auch damals war der Knackpunkt die Reichweite der Batterie. Gern wird auch kolportiert, dass Rockefeller kein Interesse am Erfolg des Elektroautos hatte. Er verdiente sein Geld mit Öl, zunächst für Öllampen. Die wurden mit Erfindung der elektrischen Glühbirne überflüssig. Das sollte ihm beim Auto nicht noch einmal passieren.

Das Model S schraubt sich problemlos die schwäbische Alb hinauf. Die Steigung ändert nichts an meiner berechneten Reichweite, das Navi hat das bei der Routenplanung bereits berücksichtigt. Am Supercharger in Jettingen-Scheppach lade ich ein letzte Mal, bevor es über die A8 nach München geht. Für den Fotografen geht es in die Innenstadt, so dass es Bilder auf der Hamburger Köhlbrandbrücke und am Siegestor in München gibt. Das eigentliche Ziel der Rallye aber ist die „Farm“ in Feldkirchen. So wird intern das Tesla Service Center am östlichen Stadtrand genannt, weil es früher mal landwirtschaftlich genutzt wurde.

Bevor ich den Autoschlüssel in Form eines Spielzeug-Tesla Model S wieder abgebe, werfe ich noch einen Blick auf die Energieauswertung. Für die Fahrt von Hamburg nach München habe ich 360,9 Kilowattstunden Strom verbraucht. Gehe ich vom Haushaltspreis für Strom aus (0,28 Euro/kWh), hätten mich die 1.290 km rund 101 Euro gekostet. Mit einem Benziner wäre es teurer geworden. Mal ganz abgesehen davon, dass es Tesla-Fahrern an den Superchargern nichts kostet – ein Leben lang.

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Super Artikel! Zwar vom Hersteller initiiert, aber mit wirklich interessanten Infos und Meinungen angefüttert. Das schaut man doch gern mal über den Tellerrand.

Nur eins: man regt den Daumen nicht, man reckt ihn - zumindest in der hier beschriebenen Situation ;-)

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