Vom Urlaubsmärchen zum Videoschnitt

iMovie ’08

Selten waren die Updates in einem iLife-Paket so ungleich verteilt: Bei iWeb und iDVD tut sich nur wenig, während iMovie gleich einen Radikalumbau erlebt hat. iMovie ’08 – Alan Smithee* oder Martin Scorsese?

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Apple-Märchenstunde auf dem Presse-Event: Da ein Video-Ingenieur von Apple angeblich nicht in der Lage war, sein Urlaubsvideo schnell mit iMovie 6 HD zu schneiden, hat er seine eigene Lösung entwickelt, aus der schließlich iMovie 7 (ohne „HD“) entstanden ist. Jetzt ist iMovie 6 die angeblich hochkomplizierte Videoschnittlösung, die jedoch auch nach der Installation von iMovie 7 auf der Festplatte bleibt. Wer einen neuen Mac mit iLife ’08 gekauft hat, kann das Programm kostenlos herunterladen [1].

Oberfläche

Sehr dunkel sieht die Oberfläche aus, fast wie eine Kreuzung aus iTunes 7 und Final Cut Pro. Wer früher mit iMovie gearbeitet hat, darf umlernen, denn nichts ist am gewohntem Platz, und manches fehlt sogar ganz.

Am Anfang füllt iMovie die Ereignis-Mediathek im unteren Fensterbereich und importiert nur das, was an Filmen in der iPhoto-Bibliothek ist. Der Inhalt des Ordners „Filme“ wird komplett ignoriert, und es können auch keine Filme in diese Mediathek importiert werden, ohne ein neues Ereignis anzulegen.

Die Grundlage für den iMovie-Film sollte aber frisch von der Kamera importiertes Videomaterial sein. Die „Magic iMovie“-Funktion wurde gestrichen, ein Teil der Funktionalität (Importieren des gesamten Bandes) wurde in das Importieren-Fenster verlagert, ein anderer in die Projekteinstellungen. Beim Importieren besteht die Wahl zwischen automatischem und manuellem Import. iMovie unterstützt nun auch Kameras, die nach dem AVCHD-Standard arbeiten, aber das Programm kann sich laut Anwenderberichten sehr wählerisch zeigen, welche MPEG4-Daten es liest und welche nicht. Im Test lieferte ein HDV-Camcorder die Filmdaten.

Nach dem Importieren gibt es ein neues Ereignis in der Mediathek, welche die Nachfolge des Clip-Bereichs aus iMovie HD antritt. Das frisch importierte Ereignis erscheint als langer Streifen, der an einigen Stellen von der iMovie-Szenenerkennung unterbrochen ist. Die gewohnte Zeitleiste gibt es im neuen iMovie nicht mehr, markiert wird durch Ziehen eines Bandes vom Anfang bis zum Ende des gewünschten Ausschnitts, der dann auf das Video-Projekt gezogen wird. Eine Linie verbleibt und markiert den Bereich, der bereits in den Film integriert wurde. Hervorragend gelungen ist die Vorschaufunktion: Die Wiedergabe wird durch einfaches Bewegen des Mauszeigers über den Clip gestartet, Ton und Bild laufen, je nach Geschwindigkeit der Mausbewegungen mehr oder weniger schnell ab. Eine „normale“ Wiedergabe (auch als Vollbild) ist jedoch ebenfalls möglich.

Auch beim Markieren von Clipbestandteilen ist die automatische Vorschau aktiv. Markierte Clipteile können natürlich auch gelöscht werden. Dazu werden sie zunächst „abgelehnt“. Abgelehntes Videomaterial sammelt iMovie in einem speziellen Ordner, von dem aus es dann endgültig gelöscht oder wiederhergestellt werden kann. Einen Regler gibt es sowohl unter dem Projekt, als auch im Ereignisbereich. Er dient dazu, die Anzahl der Miniaturen pro Szene zu bestimmen: Mehr Miniaturen liefern einen besseren Überblick, was in der Szene passiert, aber verbrauchen auch entsprechend mehr Platz. Eine nachträgliche Kürzung beziehungsweise Verlängerung eines Clips wird über die Trimmen-Funktion bewerkstelligt, iMovie schaltet dazu in eine andere Ansicht um, die das verfügbare Video-Material links und rechts neben dem aktuell verwendeten Part des Clips zeigt.

Verbindendes

Zwischen den Szenen lässt iMovie eine Lücke, die das Umgruppieren erleichtert, aber auch um dort Übergänge einzufügen. Zwölf Übergänge gibt es (iMovie HD: 15), eine Erweiterung durch Drittanbieter ist derzeit nicht möglich, aber denk-bar: Jeder Übergang liegt als Quartz-Datei im iMovie-Programmpaket. In den Projekteinstellungen wird bestimmt, ob alle Übergänge eine einheitliche Länge besitzen oder ein individuelles Zuweisen per Kontextmenü („Dauer zuweisen“) möglich sein soll. Video- und Audio-Effekte gibt es in iMovie ’08 nicht, es stehen also weder die Effekte von Apple, noch die von Dritt-anbietern zur Verfügung. Das schränkt die Kompatibilität zu iMovie-HD-Projekten ein, und da Effekte in iMovie ’08 gar nicht vorgesehen sind, müsste schon Apple nachbessern, damit Entwickler ihre Produkte anpassen können. Ebenenfalls komplett der Schere zum Opfer fielen die Themen, die gerade erst mit iMovie HD eingeführt wurden.

Dafür gibt es überarbeitete Titel, die jetzt allesamt direkt im Vorschaubereich eingegeben werden. Keiner der Titel bietet irgendwelche Optionen, die über den Standard-Schriften-Dialog hinausgehen. Verschieben lassen sich die Texte auch nicht, und obwohl die neuen Titel gut gelungen sind, bot die Vorgängerversion mehr Auswahl. Eingefügt werden die Titel, indem sie auf einen Clip im Projekt gezogen werden. Visualisiert werden sie dort durch eine Art Sprechblase, die als Text die Position des Titels im Clip anzeigt. Die Festlegung von Darstellungsdauer und Position ist bequem möglich, wie bei den anderen Editieroptionen von iMovie ist ein bildgenaues Arbeiten kaum möglich.

Video im Kopfstand

Da das alte Konzept verworfen wurde, bietet iMovie auch keine Audiospuren im traditionellen Sinn – und leistet dennoch mehr als die Vorgängerversion. Musik, Soundeffekte und GarageBand-Loops werden auf die gleiche Weise wie Titel positioniert, in ihrer Länge verändert und verschoben. Mehr als acht Spuren sorgen für einen schönen Audiomatsch – klar, dass es spätestens da sinnvoll ist, etwas an der Lautstärke zu drehen. Das funktioniert nicht ganz so schnell wie bei iMovie HD, aber immer noch unkompliziert genug: Audiospur auswählen, auf das Lautstärkesymbol klicken und bestätigen. Die Lautstärkeveränderung gilt global für die gesamte Audiospur. Mit „Lautstärke der anderen Spuren“ tritt die aktuelle Spur während ihrer Laufzeit in den Vorder- und die anderen in den Hintergrund.

iMovie fügt automatisch ein einsekündiges Ausblenden am Ende jeder Audiospur ein. In den meisten Fällen hört es sich allerdings eher nach einem abrupten Ende an, und der Anwender kann nichts dagegen unternehmen: Eine detaillierte Bearbeitung der Audiospur wie in iMovie HD gibt es nicht, und die Veränderungen der Lautstärke können aufgrund des anderen Konzepts der neuen Version nicht so gut veranschaulicht werden. Die Nachvertonung (Voiceover) hat einen eigenen Dialog, in dem eine Umstellung auf ein anderes angeschlossenes Mikrofon möglich ist. Auf Wunsch versucht das Programm, Störungen während der Aufnahme zu reduzieren.

Über das Symbol neben dem Voiceover werden Fotos und Videos beschnitten oder angepasst. Bei Fotos steht zusätzlich der „Ken Burns“-Effekt zur Verfügung. Sowohl Bewegt- als auch Standbilder können in 90-Grad-Schritten gedreht werden. Wenn es schon keine Effekte gibt, die das bewerkstelligen können, so sind einige Bildmanipulationen (Farbstich, Belichtung, Helligkeit, Kontrast, Sättigung) wenigstens mit der „Video anpassen“-Funktion möglich.

Fazit

Für die neuen Zielgeräte und Medien hat Apple aufgerüstet: Ein einfacher Export für Apple TV, iPod und iPhone und eine YouTube-Upload-Funktion sind eingebaut. Dies und das Fehlen jeglicher Möglichkeit, DVD-Kapitelmarken zu setzen, zeigt die neue Richtung von iMovie. Das Fazit ist insofern zwiespältig: Als Update („iMovie 7“) ist das Programm eine Frechheit, andererseits sind viele der Neuerungen gut gelungen, gehen bequem von der Hand und werden schnell ausgeführt. Viele der „alten“ iMovie-Funktionen hätte Apple allerdings durchaus in die neue Oberfläche integrieren können, ohne dass sie unüber-sichtlich wird. Sauer werden besonders diejenigen sein, die Plug-ins für die Vorgängerversion gekauft haben. Zwar wird letztere kostenlos zur Verfügung gestellt, aber ob diese unter zukünftigen Betriebs-systemversionen zuverlässig laufen wird, ist nicht sicher – und es ist zweifelhaft, dass Apple beide iMovie-Versionen weiterpflegen wird.

Was ist AVCHD?

AVCHD ist ein Standard für hochauflösendes Video (HD) und verwendet eine aktuellere HD-Kodierung als Camcorder, die nach dem HDV-Standard arbeiten. Verschiedene Hersteller haben AVCHD-Camcorder im Programm, meist im Preisbereich zwischen 900 bis 1800 Euro. Aufgenommen wird auf Speicherkarte, Mini-DVD oder Festplatte.

* Pseudonym für Regisseure, die mit ihren vermurksten Werken nichts mehr zu tun haben wollen.

[1] www.apple.com/support/downloads/imovieHD6.html

Testergebnis
ProduktnameiMovie ’08
HerstellerApple
Preis79 Euro (im iLife-'08-Paket)
Webseitewww.apple.com/de
Pro
  • intuitives Markieren von Clips
Contra
  • ... aber nicht sehr präzise
SystemvoraussetzungenMac OS X 10.4.9 oder höher, mindestens G5-Prozessor, Universal Binary
Bewertung
3,1befriedigend

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