Porträt: The Human League

Vorreiter und Vergänglichkeit

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Beat / Würdet ihr selbst gerne eine Avantgarde-Rolle einnehmen?

Phil Oakey / Liebend gerne! Aber wir wussten immer, dass man damit keine Platten verkaufen kann. Du kannst nicht [der amerikanische Minimal-Komponist, Red.] Steve Reich sein und trotzdem Platten verkaufen. Du musst immer größtenteils ein bereits bestehendes Vokabular verwenden.

Beat / So schlecht verkauft sich Steve Reich glaube ich gar nicht …

Phil Oakey / (lacht) Stimmt wahrscheinlich. Aber ich wollte eben lieber Marc Bolan sein. Und deswegen war für uns klar, dass der größte Teil des Materials auf Bekanntes zurückgreifen musste. Manche hielten uns für ungemein innovativ, als wir auf den Plan traten. In Wahrheit waren wir eher ein kleines bisschen innovativ. Und das hat es den Leuten erlaubt, unsere Musik in Bezug zu dem zu setzen, was sie bereits kannten.

Beat / Aber man kann schon sagen, dass der Übergang von experimenteller Elektronik zu dem Synthie-Pop auf „Dare“ damals ein sehr großer Schritt war.

Phil Oakey / Ja, aber wir waren nicht die Ersten, die ihn gegangen sind. Wir waren sehr genau darüber informiert, was um uns herum geschah. Wir haben zwar Kraftwerk gehört, aber waren uns gleichzeitig auch der Arbeit Giorgio Moroders bewusst. An dem Tag, an dem ich The Human League beigetreten bin, kam Martyn Ware in meine Wohnung und hatte ein Exemplar von Kraftwerks „Trans Europa Express“ und Donna Summers „I Feel Love“ bei sich. Moroder gab uns damals die Richtung vor.

Beat / Euer neues Album „Credo“ klingt erneut extrem frisch. Ist es euch wichtig, dass die Leute eure Musik in zwanzig Jahren noch immer für zeitgemäß halten?

Phil Oakey / Ich weiß nicht, ob das eine Rolle spielt. Mir gefällt der Gedanke, dass Pop-Musik etwas Vergängliches ist. Dass es ebenso ein Ablaufdatum hat wie eine Tageszeitung. Ich liebe Moroder und Boland zwar heute vielleicht mehr denn je. Aber wenn es nach mir ginge, würde ich alle alte Musik einfach auslöschen. Musik muss sich weiter entwickeln. In den Neunzigern gab es einen Bruch und man hat sich so sehr auf altes Material verlassen, dass es die aktuellen Sachen überflutet hat. Ich habe gerade große Angst, dass neue Musik derzeit nicht die Unterstützung erhält, die sie braucht. Die Produzenten werden in zehn Jahren nicht wissen, wen sie sampeln sollen.

Beat / Du fürchtest dich nicht davor, auf der Müllhalde der Geschichte zu landen?

Phil Oakey / Ein großer Teil von Musik muss schlicht weggeworfen werden. Mir gefällt die Vergänglichkeit von Dingen, die mir einst sehr wichtig waren und jetzt nur noch in meiner Erinnerung verweilen.

von Tobias Fischer

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