Clubreport: Codex

Das bestätigt uns kurz danach auch Roland Kruck von der für den Sound verantwortlichen Firma Lindenmayer. Aus einer kurzen Anfrage zu technischen Details wird ein faszinierendes, fast eine Stunde langes Gespräch. Auch für die Stuttgarter Klangzauberer ist dieses Projekt weit mehr als nur ein weiterer Club. Für das Herzstück des Codex entschied sich man sich dabei für ein Dynachord-Alpha-System, wie es beispielsweise in vergleichbar großen Locations wie dem legendären Space Club auf Ibiza zum Einsatz kommt. Doch gibt es einen ganz besonderen Clou: Alle sieben Bereiche der Location werden zwar zentral angesteuert, können aber durch eigene Equalizer individuell ausgepegelt und vor allem trennscharf voneinander abgesetzt werden. Jeder Bereich erhält damit einen transparenten Soundcharakter: „Man hat die Vorstellung eines Multi-Room-Verfahrens nicht auf die einfache Art und Weise realisiert, dass man schlicht Signale von A nach B transportiert. Stattdessen ist das gesamte System prozessorgesteuert“, so Kruck, „Die Signale bekommen dabei die passenden Delays angemessen, sodass Besucher im Eingangsbereich des Cafés, wo man einen eher unaufdringlichen Sound vorzieht, nicht zwei verschiedene Signale hören. Stattdessen wird alles präzise so verzögert, dass es passt.“ Auf die Vorschläge des Lindenmeyer-Teams wurde praktisch vollständig eingegangen, ohne dabei die typischen finanziellen Abstriche zu machen – wohl auch, weil sich durch diese zentrale Lösung in diesem Fall sogar umgekehrt eher Einsparungen erzielen ließen.

Neues Club-Ereignis

Dass jedoch ist noch nicht alles. Denn hinter dem Codex steht eine neue Vorstellung dessen, was das Club-Erlebnis heute ausmacht. „Wir denken, es ist nicht mehr ausreichend, in einer Location nur Musik und Getränke anzubieten, um den Gast zu unterhalten“, so Pichler, „Gerade der Gast ab dreißig weist ein anderes Konsumverhalten auf, und darauf muss man eingehen.“ Kruck, der am Eröffnungswochenende mit einigen Gästen ins Gespräch kam, konnte genau das beobachten: „Die Leute gehen nicht nur zum Abtanzen ins Codex. Der Sound passt zu dieser neuen Einstellung. Er ist präsent und stimmig, sodass sich jeder darin wohlfühlt.“ Durchmischung in Sachen Publikum einerseits, aber auch die Ermöglichung einer zielgruppengerechten Ansprache andererseits, sind hier somit zwei Seiten der gleichen Medaille. In der Praxis sieht das so aus, dass die Ü30-Fraktion kostenfrei in den Club kommt, es sieben verschiedene Gastronomiebereiche gibt und an vier verschiedenen Abenden vier verschiedene Stilrichtungen angeboten werden. Die Charts sind im Codex zwar sicherlich nicht der Feind, doch wird auf Aktualität im Sinne von Titeln, die der gemeine Besucher vielleicht noch nicht kennt, zumindest wochenends, großen Wert gelegt: „Wir denken, dass der Besucher zwar Bekanntes hören, aber doch auch mal einen neuen Impuls spüren möchte. Das wirkt sich auch bei unseren Bookings aus, die wir im Club-Bereich tätigen.“ Zu Letzteren gehört unter anderem natürlich Rochhound selbst, für dessen Fähigkeiten am Mischpult beispielsweise Dirk Gebhardt den Begriff des DJs als zu kurz gegriffen empfindet und eher von einem „Entertainer“ sprechen möchte.

In diese Vorstellung passt auch die konsequente Umsetzung des Community-Gedankens. Statt sich auf Drittparteien zu verlassen, hat man einen eigenen Fotografen für die obligatorischen Party-Bilder eingestellt, plant exklusive Downloads für Mitglieder. Vor allem aber bezieht die Gemeinschaft die Codex-Lounge im nahegelegenen Rastatt mit ein, wo man den Abend bei Cocktails einläuten kann, ohne doppelt Eintritt zahlen zu müssen. Spätestens, wenn die beiden Locations dann noch in Kürze via Videostreams miteinander verbunden werden, steht fest, dass Achern sich von einem kleinen sympathischen Städtchen zu einem Tor in die Welt emanzipiert hat.

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