Talente fliehen

Apple verliert seine besten KI-Forscher an Meta und Co. – droht das Aus für Siri?

Seit Januar haben zwölf KI-Experten Apple verlassen – darunter der Chef des Foundation Models-Teams für 200 Millionen US-Dollar an Meta.

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Apple steht vor einer weitreichenden Krise im Bereich der Künstlichen Intelligenz – doch das eigentliche Problem liegt nicht nur in den bekannten Schwächen von Siri oder den verzögerten Apple Intelligence-Features. Vielmehr verliert das Unternehmen systematisch seine besten KI-Talente an die Konkurrenz, was die Zukunftsfähigkeit des Konzerns im wichtigsten Technologiebereich der kommenden Jahre gefährdet.

Quickread: Auf einen Blick
  • Apple verlor seit Januar zwölf KI-Forscher an Konkurrenten wie Meta, OpenAI und xAI.
  • Meta lockt mit bis zu 200 Millionen US-Dollar Vergütung Apples beste KI-Talente ab.
  • Die Abgänge verzögern Siri-Updates bis 2026 und gefährden Apples KI-Zukunft.

Der Exodus der KI-Elite

Seit Januar haben etwa ein Dutzend hochrangige KI-Forschende Apple verlassen, um zu Konkurrenten wie Meta, OpenAI, xAI und Cohere zu wechseln. Besonders schmerzhaft war der Abgang von Ruoming Pang, dem Leiter des Foundational Models-Teams, der im vergangenen Monat zu Meta wechselte – angelockt von einem Vergütungspaket in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, das ihm CEO Mark Zuckerberg persönlich angeboten hatte.

Die Liste der Abgänge liest sich wie ein Who's who der KI-Forschung bei Apple: Brandon McKinzie und Dian Ang Yap gingen zu OpenAI, Liutong Zhou zu Cohere, während Mark Lee, Tom Gunter, Bowen Zhang und Shuang Ma alle den Weg zu Meta einschlugen. Floris Weers gründete ein eigenes Startup. Viele dieser Personen trugen maßgeblich zu Apples KI-Forschungspapieren bei, die das Unternehmen im vergangenen Jahr veröffentlichte.

Strategische Assets im Kampf um die Zukunft

Das Kernteam der Foundation Models bei Apple umfasst lediglich 50 bis 60 Personen – jeder Abgang wiegt daher besonders schwer. Branchenrekrutierende sehen in diesen Abgängen eine „Vertrauenskrise“ bezüglich Apples KI-Zukunft. Aaron Sines von der Rekrutierungsfirma Razoroo erklärt, dass Unternehmen Elite-KI-Talente mittlerweile als „strategische Assets“ betrachten, gleichwertig mit geistigem Eigentum oder ganzen Geschäftsbereichen.

„Es gibt weltweit wirklich nur tausend, vielleicht zweitausend Menschen, die echte Erfahrung mit Foundational Models haben und das nötige Know-how besitzen, um sie zu entwickeln und einzusetzen“, so Sines gegenüber der Financial Times.

Large Language Models (LLM) erklärt!

Large Language Models sind KI-Systeme, die auf riesigen Textmengen trainiert wurden und menschenähnliche Sprache verstehen und generieren können. Sie bilden die Grundlage für Chatbots wie ChatGPT oder Googles Bard. Apple will diese Technologie nutzen, um Siri deutlich intelligenter und gesprächsfähiger zu machen.

Siri-Transformation stockt weiterhin

Der Talentabfluss fällt zusammen mit Apples anhaltenden Schwierigkeiten, Siri durch die Integration von Large Language Models zu modernisieren. Eine chatbot-ähnliche Version des Sprachassistenten war eines der Hauptfeatures von Apple Intelligence, das Apple auf der WWDC 2024 beworben hatte – doch sie ist bis heute nicht verfügbar.

Apple hat Berichten zufolge KI-Büros in Zürich eingerichtet, wo Teams eine völlig neue Softwarearchitektur für Siri entwickeln. Dieser neue Ansatz – ein sogenanntes „monolithisches Modell“ – basiert vollständig auf einer LLM-Engine und soll Siris bestehendes „Hybridsystem“ ersetzen, das über die Jahre durch verschiedene Feature-Ergänzungen fragmentiert wurde.

Konkurrenz bietet Millionensummen

Die Abwerbungen erfolgen mit beispiellosen Summen: Meta-CEO Zuckerberg soll KI-Ingenieurinnen und -Ingenieuren Signing-Boni von bis zu 100 Millionen US-Dollar angeboten haben. OpenAI-CEO Sam Altman bestätigte entsprechende Berichte über Metas aggressive Rekrutierungsstrategie. Apple erhöht zwar „marginal“ die Vergütung seines Foundation Models-Teams, kann aber nicht mit den Summen mithalten, die Meta bietet.

Die Auswirkungen sind bereits spürbar: Apple musste wichtige Apple Intelligence-Features für Siri bis 2026 verschieben, während Konkurrenten wie Google und Samsung bereits deutlich fortgeschrittenere KI-Funktionen anbieten. Das Unternehmen erwägt sogar, für zukünftige KI-Features auf Technologie von Anthropic oder OpenAI zu setzen, anstatt auf eigene Modelle.

Strukturelle Veränderungen als Reaktion

Als Reaktion auf die Krise hat Apple seine KI-Teams umstrukturiert. Die KI-Bemühungen werden nun von Software-Chef Craig Federighi und Mike Rockwell überwacht, der zuvor die Entwicklung der Apple Vision Pro leitete. Diese Diskussionen über die mögliche Nutzung externer KI-Technologie haben jedoch zu sinkender Moral im Foundation Models-Team geführt, was weitere Abgänge zur Folge hat.

Mehrere Ingenieurinnen und Ingenieure führen Berichten zufolge bereits Bewerbungsgespräche bei anderen KI-Unternehmen, während Apple-Führungskräfte versuchen, die Teammitglieder davon zu überzeugen, dass das Unternehmen weiterhin auf interne KI-Entwicklung setzt.

Langfristige Konsequenzen

Die Talentflucht könnte Apples Fähigkeit, im KI-Rennen aufzuholen, nachhaltig beeinträchtigen. Während CEO Tim Cook in den jüngsten Quartalszahlen „gute Fortschritte bei einer personalisierten Siri“ verkündete und die Features für nächstes Jahr ankündigte, zeigen die internen Turbulenzen, dass Apple vor fundamentalen Herausforderungen steht.

Die neuen Siri-Funktionen sollen ein besseres Verständnis des persönlichen Kontexts, Bildschirmbewusstsein und tiefere App-Kontrollen umfassen. Ob Apple diese Versprechen einhalten kann, hängt maßgeblich davon ab, ob das Unternehmen seine verbleibenden KI-Talente halten und neue gewinnen kann – in einem Markt, in dem die Konkurrenz mit dreistelligen Millionensummen um die besten Köpfe kämpft.