Designchef verlässt Apple

Alan Dye wechselt zu Meta – und John Gruber rechnet schonungslos ab

Apples Softwaredesign-Chef Alan Dye wechselt zu Meta. Der bekannte Apple-Kommentator John Gruber reagiert mit ungewöhnlich scharfer Kritik.

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Apples langjähriger Softwaredesign-Chef Alan Dye verlässt das Unternehmen und wechselt zu Meta. Die Nachricht löste in der Apple-Community eine bemerkenswerte Reaktion aus – vor allem durch den bekannten Apple-Kommentator John Gruber, der auf seinem Blog Daring Fireball ungewöhnlich scharfe Kritik an Dyes zehnjähriger Amtszeit übte.

Quickread: Auf einen Blick
  • Alan Dye verlässt Apple nach zehn Jahren als Softwaredesign-Chef und wechselt zu Meta als Chief Design Officer.
  • John Gruber übt scharfe Kritik an Dyes Amtszeit und bezeichnet seine Führung als Desaster für Apples Interface-Design.
  • Nachfolger Stephen Lemay gilt als erfahrener Interface-Designer und weckt Hoffnungen auf eine Rückkehr zu fundamentalen Designprinzipien.

Überraschender Wechsel zu Meta

Bloomberg berichtete als erstes über Dyes Abgang. Der langjährige Apple-Manager wird bei Meta die neu geschaffene Position des Chief Design Officers übernehmen und ein kreatives Studio innerhalb der AR/VR-Abteilung Reality Labs leiten. Meta-CEO Mark Zuckerberg kündigte an, dass Dye für die Gestaltung von Hardware, Software und KI-Integration verantwortlich sein wird. Dye wird dabei an Metas Chief Technology Officer Andrew Bosworth berichten, nicht direkt an Zuckerberg.

Apple bestätigte den Wechsel in einer Stellungnahme und gab bekannt, dass Stephen Lemay die Nachfolge antritt. Lemay arbeitet seit 1999 als Software-Designer bei Apple und gilt als erfahrener Interface-Designer mit besonderem Augenmerk auf Details und handwerklicher Qualität.

Grubers vernichtende Analyse

Human Interface Design erklärt!

Human Interface Design (HID) bezeichnet die Gestaltung der Benutzeroberflächen von Software – also wie Nutzerinnen und Nutzer mit Apps und Betriebssystemen interagieren. Es umfasst visuelle Elemente wie Icons und Fenster, aber vor allem die Funktionalität und Bedienbarkeit. Bei Apple ist HI traditionell getrennt vom Industrial Design (ID), das sich mit der Hardware-Gestaltung befasst.

John Gruber, einer der einflussreichsten Apple-Beobachter, reagierte auf die Nachricht mit einer ausführlichen und außergewöhnlich kritischen Analyse auf Daring Fireball. Seine zentrale These: Dye kümmere sich nicht wirklich um Design. „Wenn dir Design wichtig ist, gibt es nach Apple nur noch den Weg nach unten“, schrieb Gruber. „Was die Leute übersehen haben, ist das Offensichtliche: Alan Dye interessiert sich eigentlich nicht für Design.“

Gruber berichtete, dass alle seine Gesprächspartner innerhalb und außerhalb von Apple „glücklich“ – wenn nicht geradezu „überschwänglich“ – über die Nachricht gewesen seien, dass Lemay Dye ersetzt. Die Ernennung Lemays könnte laut Gruber „das Beste sein, was Apples Human Interface Design in der gesamten Zeit seit Steve Jobs’ Tod und Scott Forstalls Rauswurf passiert ist“. Zumindest erwarte er, dass der Wechsel „die Blutung stoppt“ – sowohl hinsichtlich der Arbeitsqualität als auch der Mitarbeiterbindung.

Designführung ohne Designhintergrund

Ein zentraler Kritikpunkt Grubers ist, dass Dye keinen Hintergrund im User-Interface-Design hatte. Vor seiner Zeit bei Apple war Dye Design-Direktor für die Modemarke Kate Spade und arbeitete zuvor im Branding für die Werbeagentur Ogilvy. Seine Beförderung zum Vice President of Human Interface Design im Jahr 2015 – zeitgleich mit Jony Ives Ernennung zum Chief Design Officer – bezeichnet Gruber als „großen Fehler“.

Lemay hingegen wird als „Karriere“-Interface-Designer mit besonderem Fokus auf „Detailgenauigkeit und Handwerkskunst“ beschrieben. Diese Eigenschaften hätten in der Dye-Ära gefehlt. Gruber zitiert Gespräche, in denen er erwähnt habe, dass er mit Menschen bei Apple gesprochen habe, die berichteten, dass Dye und sein Team grundlegende Interface-Begriffe wie „Key Window“ nicht verstanden hätten.

Liquid Glass und die Folgen

Die Einführung von Liquid Glass in iOS 26 und macOS 26 Tahoe steht exemplarisch für die Probleme unter Dyes Führung. Während Gruber iOS 26 insgesamt als besser und nutzbarer als iOS 18 bezeichnet, sei macOS 26 Tahoe „visuell ein Durcheinander“. Besonders problematisch sei, dass Liquid Glass auf dem Mac schlechter funktioniere als auf iOS – was Gruber auch auf die höhere Komplexität des Mac-Interface mit mehreren Fenstern und größeren Displays zurückführt.

Als besonders aufschlussreich wertet Gruber die Tatsache, dass Apple in den OS-Releases 26.1 eine Einstellung für „klar/getönt“ bei Liquid Glass hinzufügen musste. Dies sei ein deutliches Zeichen dafür, dass es innerhalb von Apple eine starke Fraktion gibt, die Wert darauf legt, wie Dinge funktionieren – etwa ob man Text vor dem Hintergrund eines Hinweises lesen kann.

Politisches Geschick statt Designkompetenz

Gruber führt Dyes lange Amtszeit trotz der Probleme auf sein politisches Geschick zurück. Seine Fähigkeit, die Unternehmensführung zufriedenzustellen, sei so ausgeprägt gewesen, dass es seine Entscheidung gewesen sei, zu gehen, obwohl seine Amtszeit von tatsächlichen Designerinnen und Designern innerhalb und außerhalb des Unternehmens als Desaster betrachtet werde.

Besonders bemerkenswert ist, dass Dye ausgerechnet zu Meta wechselt – einem Unternehmen, das Apple-CEO Tim Cook in der Vergangenheit mehrfach scharf kritisiert hat, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre. In einem weiteren Artikel auf Daring Fireball schreibt Gruber, dies zeige, dass Dyes moralischer Kompass nicht mit Apples Werten übereinstimmte – und dass die Unternehmensführung auch diesen blinden Fleck hatte.

Hoffnung auf Neuanfang

Die Reaktionen innerhalb von Apple auf Lemays Ernennung sind durchweg positiv. Quellen beschreiben ihn als persönlich beliebt und fachlich hoch respektiert. „Ich glaube nicht, dass es eine bessere Wahl als Lemay gab“, zitiert Gruber eine Quelle in entsprechender Position.

Die Debatte über Apples Software-Design der letzten zehn Jahre sei nicht zwischen Befürworterinnen und Befürworten Dyes und Gegnerinnen und Gegnern gewesen, sondern nur darüber, wie schlecht es gewesen sei und wie weit es von seinen früheren bemerkenswerten Höhen gefallen sei. Gruber berichtet von Dutzenden von Designerinnen und Designern, die Apple aus Frustration über die Richtung des Unternehmens verlassen hätten, um bei Firmen wie LoveFrom, OpenAI und deren gemeinsamen Geheimprojekt io zu arbeiten.

Mit Lemay könnte sich dies ändern. Seine Ernennung signalisiert möglicherweise eine Rückkehr zu fundamentalen Designprinzipien und einem tieferen Verständnis für Interaktionsdesign. Zumindest, so Gruber, sollte die Situation nicht weiter schlechter werden – was allein schon ein Gewinn für alle Beteiligten wäre.

Die Zukunft wird zeigen, ob Lemay tatsächlich eine neue Ära des Apple-Designs einläutet oder ob der Wechsel hauptsächlich aus politischen Erwägungen erfolgte. Fest steht: Die Apple-Community beobachtet die Entwicklung mit großem Interesse und nicht geringen Hoffnungen.

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