Clubreport: U60311, Frankfurt

Techno als Kultur

Damit haben Alexander und das Team des U60 bewiesen, dass Techno schon längst weder reine Gegenbewegung noch purer hedonistischer Zeitvertreib oder gar eine flüchtige modische Momentaufnahme ist. Für sie ist diese Musik zu einem zentralen Teil der Kultur des 21. Jahrhunderts und seine Tempel zu einem integralen Bestandteil des Stadtbildes geworden – und darauf sind sie zu Recht stolz. Zu dieser Ansicht gehört aber auch eine Organisation, die sich nicht von ihren Fans abschottet, sondern gezielt versucht, jeden Abend zu einem Erlebnis zu machen, bei dem betont viele Nachtschwärmer auf ihre Kosten kommen.

Eine besonders gelungene Neuerung besteht zum Beispiel in der Möglichkeit, sich bereits vor Reiseantritt die Eintrittskarten im Internet zu bestellen und auszudrucken – eine bewusste Distanzierung von der oft exklusiven Türpolitik vieler großer Läden: „Die Idee läuft sehr gut. Denn so haben auch Leute, die von weiter her zu uns kommen, keine Angst, eventuell nicht Einlass zu finden“, so Egger. Natürlich ist auch die mediale Nachbereitung besonders gelungener Events sowie der Aufbau einer Community aus DJs und Gästen ein Eckpunkt: Das u60 hat inzwischen erfolgreich verschiedene CD-Sampler auf den Markt gebracht, die sich von Chris Liebing und Carl Cox (Techno) bis hin zu Karotte und Tobi Neumann (House) den verschiedenen hier vertretenen Musikgattungen sowie ihren prominentesten Vertretern widmen.

Jahrelang funktionierte der Club so als eine Kreativzelle für die Techno-Bewegung in Frankfurt: Sven Väth organisierte beispielsweise hier einen regelmäßigen Abend mit Gast-DJs, aus dem schließlich seine Konzertagentur Cocoon, ein eigener Club, Guest-Residences auf Ibiza sowie das „King Kamehameha“ hervorgingen, das mit seiner Mischung aus Jazz-Flair und gemütlicher Gastfreundschaft wieder selbst Akzente setzte. Der andauernde Erfolg aber war vor allem darauf zurückzuführen, dass man stets gekonnt die Balance zwischen Underground-Appeal und Massentauglichkeit hielt und sich programmatisch auf geänderte Geschmäcker und neue Bedürfnisse einstellte: „Es wird und es muss sich in unserer Szene immer einiges verändern“, bringt Egger seine Philosophie auf den Punkt, „sonst wäre Techno ja tot.“ Schon bei der eingangs erwähnten Kanzleramt-Labelnacht im Jahr 2000 wurden neben den eigenen, Detroit-beeinflussten Scheiben populäre Titel wie Mr. Oizos „Flat Beat“ aufgelegt. Noch heute deckt das Programm von Trance-beeinflussten Scheiben und Minimal bis hin zu klassischen Omen-Sounds das gesamte Spektrum elektronischer Tanzmusik ab. Bei Ausdauertests wie der 44-Hours-Party werden die goldenen Hochzeiten von Techno und House heraufbeschworen, während entspannte Events wie „Electronic Lifestyle“ oder der „Afterburner Sonntag“ die Türen des Clubs auch für diejenigen öffnen, die ansonsten niemals einen Fuß in eine Diskothek setzen würden.

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