Reanimation eines Klassikers

Bryce 5.5

Er war der Primus unter den Landschaftsgeneratoren. Nach Besitzerwechsel und viel versprechendem Neuanfang kehrte über Jahre Ruhe ein. Mitte 2004 nahm DAZ das Zepter in die Hand und unterbreitet fast ein Jahr danach der Fangemeinde den halben Versionssprung.

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Als die ins Trudeln geratene kanadische Softwareschmiede Corel die Weiterentwicklung des MetaCreations-Klassiker auf Eis legte, herrschte unter den Bryce-Anhängern so etwas wie Untergangsstimmung. Die Nachricht, dass ausgerechnet der 3D-Content-Anbieter DAZ den in die Jahre gekommenen Helden der 3D-Szene fortführen will, stieß auf ein zweigeteiltes Echo. Ein Teil der Fangemeinde sprach den US-Amerikanern die nötige Kompetenz ab, ein solches Kultobjekt würdig weiterzuführen. Immerhin hatte die Konkurrenz nicht geschlafen und befand sich seit Jahren ohne Gegenverkehr auf der Überholspur. Extremsituationen erzeugen radikale Gedanken, so sollte Bryce etwa zum Open-Source-Projekt werden. Selbst die Urväter Kai Krause und Eric Wenger wurden wie Götter angerufen. Erwarteten die Anhänger eine Rückkehr nach dem Muster Jobs, um die einstige Ikone wieder zu beflügeln? Erst einmal meldet sich der Stein des Anstoßes mit der Version 5.5 bei seinen Jüngern zurück.

Mehr Geschwindigkeit

Evolution statt Revolution, so lassen sich die Veränderungen beschreiben. DAZ hat sich primär an die Überarbeitung der Renderengine gemacht. Im Ergebnis verspricht man eine dramatische Geschwindigkeitssteigerung von bis zu 30%. Der Leistungszuwachs ist beim Aufbau der Szene und der Vorschau-Aktualisierung schon deutlich spürbar. Im Gegenzug war der Lüfter unseres 1,5 GHz-PowerBook ständig im Einsatz, und das Alu-Gehäuse nahm wohlig warme Temperaturen an.

Neben Verbesserungen bei der OpenGL-Unterstützung kam eine Schnittstelle zur Eigenentwicklung „DAZ-Studio“ hinzu. Sie ist so etwas wie ein zweites Fotostudio mit Ankleidekabine und zusätzlicher Objektbibliothek. Da stellt sich die Frage, ob Bryce so etwas wirklich braucht? Fertige Modelle in einem unterstützten Format zu importieren war nie ein Problem, das Erstellen dieser Objekte aber schon.

Kosmetik

Die Benutzeroberfläche beließ man so, wie der kanadische Vorgänger sie hinterlassen hat. Die Bilderstürmerei beschränkt sich lediglich auf das Startlogo. Eine kosmetische Korrektur widerfuhr der Materialauswahl, die jetzt hierarchisch strukturiert ist. Ein kleines Lifting in der Darstellung gönnte man dem Terrain-Editor. Im Endeffekt bleibt es aber bei der zweidimensionalen Landschaftsmodellierung mit Graustufen. Vorwärtsweisende Erweiterungen jedweder Art und Gestalt sucht man vergebens. So bleiben der Baum- und Lichtgenerator die letzten großen Innovationen der 5er Version. Stattdessen gibt es Feen und Elfen als kostenlose Zugabe. Schöne Aussichten für Fantasy-Freaks, dafür erleidet der Landschaftsformer einen Kulturschock.

Fazit

Bryce lebt und präsentiert sich Dank dem DAZ-Tuning wesentlich agiler als seine Vorgänger. Das ist die gute Nachricht. Die von den neuen Machern ausgehenden Risiken und Nebenwirkungen lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Die Kombination Bryce und DAZ Studio wirkt planlos. Vielleicht ist das Bundle aus der Not geboren und primär als Lebenszeichen an alle Fans gedacht. Die Liebesgrüße lässt man sich aber dafür gut bezahlen. Unverzeihlich wäre, wenn Bryce 5.5 der erste Schritt zur großen Showbühne mit kostenpflichtiger Staffage aus dem reichhaltigen DAZ-Fundus ist.

Können Sie mit der bisherigen Bryce-Performance leben und wollen zudem nicht auf Apples „Tiger“ wechseln, dann sparen Sie sich 90 US-Dollar (Download-Version) und warten die weitere Entwicklung um Bryce ab. Vielleicht erscheint in ferner Zukunft auch wieder eine deutsche Lokalisierung.

Testergebnis
Produktname Bryce 5.5
HerstellerDAZ Productions
Preisab 90 Euro
Webseitewww.daz3d.com
Pro
  • verbesserte Rendergeschwindigkeit
Contra
  • keine deutsche Lokalisierung
Systemvoraussetzungenkeine
Bewertung
2,7befriedigend

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