So tickt die deutsche Podcast-Szene

Die Sache mit dem Geldverdienen & Die öffentlich-rechtliche Übermacht

Die Sache mit dem Geldverdienen

Erfolge wie „Serial“ oder „Startup“ von Alex Blumberg, der einen Podcast darüber macht, wie er ein Podcast-Startup gründet und damit pro Episode rund 6000 US-Dollar verdient, sind in den USA nur denkbar, weil das Finanzierungsmodell der Medien dort anders funktioniert als hierzulande. Dort ist ein Großteil der Radio- und Fernsehsender immer schon in privater Hand gewesen, die Finanzierung durch Werbung für Zuhörer und Zuschauer so normal wie das Amen in der Kirche. In Deutschland werden Podcaster aufgrund der öffentlich-rechtlichen Infrastruktur noch immer mit einem schiefen Auge angeschaut, wenn sie Werbeblöcke in ihre Sendung einbauen. Doch findet langsam ein Umdenken statt.

Beispielsweise setzt das Team des wöchentlich erscheinenden Tech-Podcasts „Geek-Week“ neben klassischem Sponsoring auch auf zwei Werbeblöcke pro Sendung – und hat gute Erfahrung damit gemacht. Auch wenn sich einige Leute beschwerten, ist das Feedback der Hörerschaft insgesamt positiv. „Die meisten haben Verständnis gezeigt, dass man eine professionelle Sendung, wie wir sie sein wollen, dauerhaft nicht gänzlich ,for free‘ machen kann“, erklärt Marcus Schuler, der den Podcast moderiert. Spendenaufrufe über Paypal oder den Mikrotransaktions-Dienst Flattr hätten einfach nicht gereicht, um kostendeckend zu produzieren. Deshalb werde man jetzt in Zukunft verstärkt auf Sponsoring und Werbeblöcke setzen.

Neben Tim Pritlove, der von Spenden via Paypal und den Beträgen von Flattr sowie zwei Auftragsarbeiten gut leben kann, hat auch Timo Hetzel mit seinem Apple- und Gadget-Podcast „Bits und so“ ein erfolgreiches Modell etabliert. Er setzt auf Sponsoring mit Werbeblöcken und eine Premium-Mitgliedschaft, die unter anderem die Pre- und After-Show sowie den kompletten Videomitschnitt vorsieht. Auf ein solches zahlungspflichtiges Abo vertraut mittlerweile auch Annik Rubens, die mit ihrem Podcast „Slow German“ ein Format für internationale Hörer produziert, die sich mit der deutschen Kultur beschäftigen wollen. In kurzen Stücken erklärt sie etwa, wie die Deutschen Weihnachten feiern oder was es mit Schrebergärten auf sich hat. Premium-Kunden erhalten zusätzlich Lernmaterialien zur Sendung. „Leben kann ich davon nicht, aber 400 bis 500 Euro monatlich verdiene ich damit“, so Rubens.

Vor allem bei Games-Podcasts kommt ein weiteres Geschäftsmodell zunehmend in Mode, und zwar über die Crowdfunding-Plattform patreon [3], bei der Unterstützer ihren Beitrag monatlich ableisten. Die „Spielveteranen“ nehmen auf diesem Weg immerhin rund 900 US-Dollar monatlich ein, das tägliche Format „Insert Moin“ rund 1.900 US-Dollar, und die Nerd-Truppe von „Radio Nukular“ mittlerweile sogar 2.600 US-Dollar. Zwar sind diese Erfolgsgeschichten eher selten, sie zeigen aber, dass es die eine Finanzierungslösung nicht gibt, aber dass es mit Geduld, Nachdruck und Experimentierfreudigkeit klappen kann. Einzelne oder die Kombination mehrerer Bausteine wie Spenden, Mikrotransaktionen, Werbung, Crowdfunding und Premium-Zugänge können ein adäquates Mittel sein, um die nötigen finanziellen Mittel aufzutreiben und zumindest die Produktionskosten zu decken.

Die öffentlich-rechtliche Übermacht

Nicht nur, dass die Finanzierung für unabhängige Podcaster eine besondere Herausforderung darstellt, sie müssen sich im Netz auch gegen die öffentlich-rechtlichen Sendungen behaupten: Viele Radiosender zweitverwerten ihre fürs Radio produzierten Sendungen nämlich als Podcast auf iTunes und verdrängen die unabhängigen Podcaster dort. iTunes ist für viele oftmals noch der Einstieg in die Podcast-Welt und aus dem Radio Bekanntes wird eben schneller abonniert als neue Formate, die es nur im Netz gibt.

Ein Projekt, das sich dieser Dominanz öffentlich-rechtlicher Zweitverwertungen annimmt, ist „Der Sender“. Das von Philip Banse mitinitiierte Projekt ist der Versuch, den Charme der Netz- Medien, also vor allem die Unabhängigkeit der Produktion und die Freiheit der Formate auf neue Themenfelder wie Politik oder Wissenschaft zu übertragen, die bisher von öffentlich-rechtlichen Sender besetzt sind. „Zum anderen wollen wir versuchen, mit einer bestimmten Ansprache, Präsentation und Technik neue Zielgruppen zu erreichen, die keinen Podcast-Client auf ihrem Smartphonen nutzen, sondern lieber im Web hören,“ erklärt Banse. Das seien schließlich noch immer gut 50 Prozent seiner Podcast-Hörer.

Ziel des Sender ist es, fähigen Leuten einen Raum und die dazugehörige Technik zu geben, um Sendungen zu produzieren. Ein klassisches 24-Stunden-Programm soll es nicht geben, schon aber feste Termine für einzelne Sendungen, um den Podcast live im Web zu hören – oder zu sehen, denn auch Video-Formate sind geplant. Die Räumlichkeiten des Projekts sind bereits vorhanden, aktuell wird an der Finanzierung gearbeitet, eine Crowdfunding-Kampagne ist in Vorbereitung.

Annik Rubens ist Podcasterin der ersten Stunde. Sie findet die Nische super, weil es eben für jeden eine Nische gebe, sowohl für die Macher als auch für die Hörer.
Annik Rubens ist Podcasterin der ersten Stunde. Sie findet die Nische super, weil es eben für jeden eine Nische gebe, sowohl für die Macher als auch für die Hörer. (Bild: Annik Rubens)

„Es gibt viele Experimente“

Podcast stecken in der Nische fest? Es passiert zu wenig, es gibt eine zu geringe Formatvielfalt? Wer sich die Szene näher anschaut, sieht erst, wie viel Bewegung wirklich drinsteckt. „Es gibt viele inhaltliche Experimente“, bestätigt Pritlove. Als Beispiele nennt er den Wissenschaftsbereich, der etwa mit den beiden Formaten „Konscience“ oder „methodisch inkorrekt“ überzeuge. Auch in Sachen Fußball gäbe es eine blühende Podcast-Landschaft – kaum ein großer Fußballverein, der keinen Fan-Podcast betreibe, so Pritlove. Aber nicht nur verschiedenste Gesprächsformate werden probiert, auch spannende und aufwändig produzierte Produktionen wie „Systemfehler“, eine Audiodokumentation über Fehlerkultur, weisen den Weg.

Podlove, das Sender-Projekt und auch Dienste wie Castrami stellen zudem unter Beweis, dass auch die technische und infrastrukturelle Entwicklung hierzulande vorangeht – und zwar nicht nur für die Hörer, sondern auch für die Macher.

Und der Vorwurf der männerdominierten Szene? Der lässt sich zwar nicht von der Hand weisen, aber es zeigt sich: Immer mehr Frauen podcasten und präsentieren ihre Sendung im Netz. Etwa „Kulturkapital“ von Tine Nowak, der „Lila Podcast“, in dem es um aktuelle feministische Debatten geht, „Erscheinungsraum“, ein Projekt über Politik, Gesellschaft und Kultur von Katrin Rönicke oder das „Abendbrot“ von Anne Schüssler, ein Sammelsurium verschiedener Podcast-Ideen. Eine Liste mit rund 200 Podcasts von Frauen zeigt: Es tut sich etwas.

Das mag alles noch nicht vergleichbar sein mit dem Stellenwert von Podcasts in den USA, und auch nicht der Reichweite erfolgreicher YouTube-Videos oder professioneller Blogger entsprechen. Aber zu sagen, dass die deutsche Podcast-Landschaft sich nicht weiterentwickelt, hat wenig mit der Realität zu tun. Wie wäre es mit ein wenig mehr Geduld? Oder wie Annik Rubens es treffend sagt: „Lasst sie doch einfach mal machen!“

Dieser Artikel erschien zuerst in t3n #41

(Bild: t3n)
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