Netaudio: Nils Quak

Beat / Du hast deinen Prozess einmal als „Musik aus dem Nichts“ schaffen bezeichnet. Was genau verstehst du darunter?

NQ / Die Idee, „Musik aus dem Nichts“ zu schaffen, ist für mich einer der zentralen Punkte, warum mich Laptop-Musik so fasziniert. Jedes Mal, wenn ich den Sequencer öffne, habe ich eine leere Leinwand vor mir, die es mit Klängen zu füllen gilt. Das kann mit allen möglichen Texturen, Farben und Formen in unterschiedlicher Dichte und Intensität geschehen – ohne feste Regeln. In Kombination mit Werkzeugen, wie Max/MSP oder Reaktor kann so Musik entstehen, die sich sowohl klanglich als auch strukturell nicht an gängigen Formen orientieren muss. Es gibt einfach keine Grenze, die einen bestimmten Weg vorgibt. Die Arbeit mit anderen Mitteln – etwa einem Vierspurgerät – schränkt den Umgang hingegen eher ein, limitieren ihn. Diese Limitierung finde ich zwar auch sehr spannend. Sie hat aber nie eine solche Sogwirkung auf mich ausgeübt, wie der leere Bildschirm eines Musikprojekts. Das ist vielleicht ein wenig wie der Unterschied zwischen Kindern, die lieber mit Lego oder mit Playmobil spielen. Ich war immer der Lego-Typ.

Beat / Gehst du dabei eher von größeren Formen aus und arbeitest dich zu den Details vor oder entwickeln sich eher aus kleinen Motiven große Formen?

NQ / Das kommt immer auf den Einzelfall an. Mal steht eine bestimmte Idee im Vordergrund, aus der sich dann ganze Stücke entwickeln. Mal ist es eine Programmieridee in Reaktor oder Max/MSP. Manchmal ist es einfach eine Melodie, kleine Experimente oder irgendwelche Sound-Zufälle, über die ich stolpere und die sich dann zu neuen Ideen zusammensetzen. Eine generelle Programmatik gibt es da nicht.

Dennoch sind mir besonders Details sehr wichtig; kleine, eigentlich eher unbedeutende Elemente. Das heißt nicht, dass ich Projekte mit sechzig Spuren und wahnwitzigen Automationsfahrten brauche, aber oft gibt es in den Stücken kleine Sounds, Rhythmen oder Wendungen im Arrangement, die mich faszinieren, die für mich eine zentrale Rolle spielen, und um die sich vieles im weiteren Verlauf dreht.

Beat / Wie würdest du deine Produktions-Ästhetik beschreiben?

NQ / Attribute wie druckvoll, warm, analog oder was noch alles in die Waagschale einer guten Komposition geworfen werden könnte, interessiert mich nicht. Das heißt nicht, dass ich mich nicht über einen tiefen Schlag in den Magen bei einem guten Dubstep-Bass oder über eine gute Steve-Albini-Produktion freue. Solange der Sound aber zu den Stücken passt und mich überrascht und begeistert, ist die Produktion meiner Meinung nach richtig. Insofern finde ich verrauschte Vierspur-Home-Recordings ebenso spannend wie eine Brian-Wilson-Soundwand. Gleiches gilt auch für die Komposition. Ob es jetzt ein Joanna-Newsom-Stück mit knapp dreizehn verschiedenen Segmenten und Taktwechseln sowie irrsinnigen Modulationen durch eine gute Handvoll Tonarten oder ein gradliniges Detroit-Stück ist – für mich ist das beides gleich aufregend, komplex und gut.

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