Clubreport: Tresor, Berlin

Technische Erfindung

Zunächst jedoch dreht sich unser Gespräch weder um die Geschichte des Tresor noch um Techno. Denn Hegemann hat eine technische Erfindung gemacht, und auf die ist er zurecht sehr stolz: Sein sogenannter „Trackfish“ ist zunächst einmal nicht mehr als ein leicht modifiziertes digitales Autoradio. Jedes Mal, wenn der Fahrer einen Song hört, der ihm gefällt, drückt er auf einen blauen Knopf an dem Gerät. In diesem Augenblick werden die gesamten Metadaten auf einen kleinen USB-Stick übertragen. Abends wird dieser dann in den heimischen PC gesteckt, damit man sich bequem und kinderleicht aus dem iTunes-Store die entsprechenden Titel herunterladen kann. Ohne sich durch die üblichen Terabytes an Musik kämpfen zu müssen, können somit selbst Laien eine umfangreiche persönliche Bibliothek aufbauen und Musik für sich entdecken. Der Ansatz hat ganz klar ein gewaltiges Potenzial: Gespräche mit dem Fraunhofer-Institut über eine Zusammenarbeit laufen bereits.

Die Idee passt zu Hegemann – und sie passt auch zum Tresor. Beide stehen für eine Mentalität des Nicht-Stehenbleibens, beide sind von einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein gekennzeichnet und sehen Möglichkeiten, wo andere Risiken fürchten. Der Detroiter James Smith fasste einmal die Geschichte des Tresor in einem einzigen Satz zusammen: „Dimitri took a chance“. Und genau so instinktiv und dennoch wohlüberlegt geht er auch heute noch seine Projekte an. Später, in Hegemanns Kreuzberger Wohnung, wird er mir Ausschnitte aus der Rohfassung von „SubBerlin“ zeigen, eines neuen Films, den Tilmann Künzel über den Tresor gedreht hat. Da zerstören Abrissbirnen die letzten Reste des Clubs, reißen nieder, was vierzehn Jahre lang Dreh- und Angelpunkt elektronischer Musik in Berlin war. Im Gegensatz zum Frankfurter „Omen“, das gegen Ende seines Bestehens bereits seinen Zenit überschritten hatte, blieb Hegemanns Club am Puls der Zeit. Noch heute betrachtet er die einleitenden Bilder der Doku mit Enttäuschung und Unverständnis: „Wir hätten einen wirtschaftlichen Komplex, einen Tresor-Tower darauf aufbauen können. Mit dem Club sind doch unglaublich viele Branchen verbunden: Agenturen, Mode, sogar die Getränkeindustrie. Die ganze Umgebung hätte sich entwickelt, wir hätten den Begriff der ‚Creative Industries‘, der heute so angesagt ist, mit Leben füllen können. Doch die Verantwortlichen haben das einfach nicht erkannt. Wir haben ihnen immer wieder gesagt: ‚Hey, seid stolz auf eure Jugend, auf eure junge Intelligenz, die etwas bewegen möchte. Unterstützt das, betrachtet es als ein Gründerzentrum, das das wilde Element in Büros, in Hotels, in neue Unternehmen kanalisiert.‘ Aber die Stadt hat versagt.“ Trotzdem folgte dem Untergang ein Phönix-artiger Aufstieg. In dem Kraftwerk an der Köpenicker Straße witterte Dimitri Hegemann die Möglichkeit eines Neuanfangs, spürte dieselbe Magie des Raumes.

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