Apple CarPlay im Test: Gut, aber noch nicht perfekt

Lange hat es gedauert von der Ankündigung bis zu den ersten erhältlichen Produkten. Seit gut einer Woche stehen nun aber die ersten Pioneer-Autoradios mit Apples CarPlay-Funktionalität in den Regalen der Zubehör- und Versandhändler. Wir haben uns eins der Geräte geschnappt und sind mit dem iPhone im Auto auf CarPlay-Test-Tour gegangen. Dabei ist uns vieles positiv, aber manches auch negativ aufgefallen.

Von   Uhr
Mit CarPlay und in Zusammenarbeit mit Autoherstellern, sowie den Zubehöranbietern Pioneer und Alpine möchte Apple das Leben für iPhone-Besitzer im Auto einfacher und komfortabler machen. Bevor man aber überhaupt in die Nähe dieses Ziels kommt, gilt es einige Hürden zu überwinden. Zunächst einmal werden die meisten Menschen ein neues Radio brauchen. Pioneer listet die eigenen Geräte auf der offiziellen Webseite auf. Von Alpine gibt es bislang keine CarPlay-Radioeinheiten zu erwerben. Je nach sonstiger Ausstattung des Geräts, wie eigenes Navigationssystem und eigene GPS-Antenne, muss man dafür einen mittleren bis hohen dreistelligen Betrag aufbringen.
 

Augen auf beim Radio-Kauf

Wer keine oder nur wenig Ahnung vom Kauf und von der Installation eines Autoradios von einem Zubehörhersteller hat, sollte sich vor dem Kauf sehr genau informieren. Nicht jedes Modell lässt einfach in jedes Auto bauen. Besonders neuere Autos scheinen von Herstellerseite nicht unbedingt darauf ausgelegt zu sein, dass man überhaupt ein anderes Radio nachrüsten kann. Zu viele verschiedene Standards prallen aufeinander, was zu Problemen führt, die sich oft nur über gegebenenfalls teure Adapterkabel lösen lassen.

 
 
Wir haben uns für eines der Top-Modelle, das Pioneer AVIC-F60DAB, entschieden und dieses in unser Testauto, einen Toyota Prius, einbauen zu lassen. Nach einigem Gefluche und deutlich mehr als der veranschlagten halben Stunde Arbeitszeit hatten die Tüftler von Toyata das Gerät installiert. Wir hatten Glück und mussten nur geringe Abstriche machen: Die Lautstärke-Tasten der Lenkrad-Fernbedienung funktionieren nicht mit dem AVIC-F60DAB. Außerdem musste für den Radioempfang eine neue Antenne installiert werden, da die Prius-Standard-Antenne nicht Steckerkonform zum AVIC-F60DAB war. Wer an diesem Verkabelungs-Chaos Schuld ist, vermögen wir nicht zu beurteilen.
 

Der erste Start

Die aktuell in den Läden stehenden Geräte haben CarPlay noch nicht installiert. Diese Funktionalität muss über ein kostenfreies Firmware-Upgrade nachgerüstet werden. Dies erfolgt mittels USB-Stick und lief trotz einer sehr beunruhigenden Meldungen auf dem Bildschirm – nach dem Motto: "Fassen Sie bloß nichts an, bis wir es Ihnen sagen, sonst ist ihr AVIC-F60DAB sofort ein Fall für den Schrotthaufen!" – erfreulich glatt und dauerte insgesamt gute sechs Minuten. Danach kann man sein iPhone via Lightning-Kabel mit der neuen CarPlay-Einheit verdrahten und wenige Sekunden später begrüßt einen das von den Apple-Webseiten her bekannte Benutzer-Interface in aller seiner schlichten Eleganz.
 

Ein erster Test

Insgesamt acht Anwendung werden mitgeliefert: Telefon, Musik, Karten, Nachrichten, Sie hören (was streng genommen nur eine Verknüpfung zu dem entsprechenden Bildschirm in der Musik-App ist), Pioneer AV, Podcasts und Spotify. Über das Pioneer-AV-Icon kommt man zur Ansicht des Pioneer-Geräts zurück. Unten links in der Ecke befindet sich darüber hinaus noch ein virtueller Home-Button, der - wenig überraschend - die selbe Funktionalität hat, wie der Home-Button eines jeden iPhones und iPads. Einmaliges Drücken bringt einen zurück zum Startbildschirm, langes Gedrückthalten aktiviert Siri. Aber dazu später mehr.
 
 
Alle Icons sind angenehm groß und lassen sich auch während der Fahrt leicht treffen. Der Touchscreen reagiert angenehm schnell und direkt. Nicht so gut wie der Touchscreen eines halbwegs aktuellen iPhones, aber deutlich besser als bei anderen Autoradios, die uns bislang unterkommen sind.
 
Apples eigene Anwendung funktionieren grundsätzlich wie beworben und sind weitgehend selbsterklärend. Die Anwendungen für Telefonie und Nachrichten sind dabei voll auf Sprachsteuerung ausgelegt. Startet man sie und wartet einen kurzen Augenblick, fragt Siri, wen man denn wohl anrufen oder wem man schreiben möchte. Per Tap erreicht man in der Telefonie-App aber auch die vom iPhone bekannten Bildschirme für Favoriten, Anrufliste, Kontakte, den Ziffernblock und Voicemail.
 
 
Beim Start der Nachrichten-App bietet Siri darüber hinaus an, etwaige eingegangen und ungelesene Nachrichten vorzulesen. Nach Ende des Vortrags bietet Siri direkt die Möglichkeit, zu antworten, was praktisch ist. Ist man mit dem eigenen Diktat fertig, kann man sich den gesprochenen Text noch einmal anhören und dann absenden - ganz so, wie auf dem iPhone. Die Musik-App funktioniert komplett analog zur App auf iPhone und iPad. Abgesehen davon, dass man die Reihenfolge der Schalter für Listen, Interpreten und Co. nicht selbst festlegen kann.
 

Navigation

Als Navigationssystem dient Apples eigene Karten-Anwendung. Das hat so manchen Vor- aber auch einige Nachteile. Auf der Haben-Seite steht natürlich die gute Integration des Adressbuchs und die völlig schmerzfreie Steuerung über Siri. Die Nachteile liegen aber ebenso auf der Hand: Die Karten sind nicht fest installiert und müssen ständig dynamisch nachgeladen werden, was sich schnell auf das inklusive Datenvolumen des eigenen Mobilfunkvertrags niederschlägt, das in Deutschland im Allgemeinen ohnehin lächerlich gering ist. Apples Karten-App ist da inzwischen zwar recht sparsam geworden, ein sparsamer Verbrauch ist aber eben immer noch deutlich mehr als der Nullverbrauch, den man mit einem fest installierten Set an Karten hätte.
 
 
Außerdem ist die Sprachausgabe an manchen Stellen nach wie vor nicht so wirklich an die deutsche Sprache angepasst. „In 300 Metern – Sprechpause – das Ziel befindet sich links“ lässt mich jedes Mal wieder erschaudern. Ansonsten ist die Navigation, wie vom iPhone gewohnt, aber recht gut gelungen. Alle Informationen werden übersichtlich dargestellt und auch die unterschiedlichen Farbgebungen für Tag- und Nachtmodus sind angenehm. Was im Vergleich zu bekannten Navigationslösungen fehlt, ist eine Anzeige der aktuell erlaubten Höchstgeschwindigkeit. An diesen Luxus gewöhnt man sich schnell und vermisst ihn dann doch recht stark, wenn er einem mit CarPlay wieder genommen wird. Beim Pioneer AVIC-F60DAB „denkt“ allerdings das integrierte Navigationssystem im Hintergrund mit und warnt auf Wunsch, wenn man zu schnell fährt. Dies passiert allerdings nicht durch einen prägnanten Signalton oder durch ein einfaches „Achtung!“, wie in der Navigion-App, sondern etwas umständlich mittels des sinngemäß zitierten Satzes „Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 KM Schrägstrich H“.
 

Siri

Die Siri-Integration gefällt grundsätzlich gut, weist aber noch ein paar Macken auf. Beim Pioneer AVIC-F60DAB lässt sich Siri über zwei, beziehungsweise drei Wege aktivieren. Zunächst einmal, wie oben bereits erwähnt, durch das Gedrückthalten des virtuellen Home-Buttons. Das Pioneer-Gerät verfügt darüber hinaus noch über eine eigene, physische Home-Taste, die in CarPlay genauso funktioniert wie der virtuelle Homebutton. Außerdem kann man Siri, wenn man dies auf dem iPhone so eingestellt hat, über den Sprachbefehl „Hey, Siri!“ aktivieren. 
 
 
Aktiviert man Siri über den Homebutton oder -Taste vergehen allerdings immer ein paar Konrad-Zuse-Gedenksekunden, bis Siri wirklich ansprechbar ist. Den passionierten Siri-am-iPhone-Nutzer mag dies irritieren. „Hey, Siri!“ hingegen scheint noch durchweg etwas zickig zu sein. In unserem mehrtägigen Test hat das immer mal wieder funktioniert. Meistens allerdings nicht. Und zwar unabhängig von etwaigen Störgeräuschen, also auch bei ausgeschalteter Musik und Lüftung und auf dem Parkplatz stehend, also auch ohne Fahrgeräusche: Mal geht’s, mal nicht. Wenn es immer gehen würde, wäre es super. Wenn es nie gehen würde, wäre man mit der Siri-Aktivierung über eine der beiden Drück-Optionen sicherlich auch glücklich. Dass es mal funktioniert und mal nicht, ist aber, gelinde gesagt, schwierig.
 

Spotify

Kommen wir zu dem echten Sorgenkind des CarPlay-Pakets: Spotify. Spotify ist die einzige App, die nicht direkt von Apple kommt. Leider merkt man das. Vorweg: Wir haben sämtliche nachfolgend geschilderte Phänomene festgestellt, während das Auto in einer Gegend stand, wo das mit dem Radio gekoppelte iPhone 6 mit Telekom-SIM-Karte vollen LTE-Ausschlag zeigte. Außerdem ist auf diese SIM-Karte ein Vertrag mit Spotify-Option gebucht, sodass die Datendurchleitung kostenfrei von statten und mit einem Spotify-Premium-Paket einhergeht. Die Soundqualität haben wir in der Spotify-App auf „Normal (Empfohlen)“ gestellt.
 
 
Im Betrieb kommt es dennoch immer wieder zu komischen aussetzern. Mal sind Wiedergabelisten leer, mal können Songs gar nicht abgespielt werden, mal werden andere Songs als der angeklickte abgespielt. Unser Lieblingsphänomen aber ist, dass Spotify manchmal zunächst gar keinen Song abspielt, dann nach kurzer Zeit anfängt irgendetwas abzuspielen. Irgendetwas im Sinne von: willkürlich irgendeinen Song. Nicht einen Song, des aktuell aufgerufenen Albums, nicht einen Songs aus irgendeiner der eigenen Playlisten, sondern irgendeinen Song von einem Künstler, den wir bis dato nicht mal kannten. Sehr kurios.
 
 
Ganz weit vorne dabei ebenfalls der Fehler, dass im Display immer der nächste statt dem aktuellen Track angezeigt wird. Und das kontinuierlich über eine etwa 45-minütige Fahrt. Es läuft „All the King’s Horses“ von Joss Stone, angezeigt wird aber „Halo“ von den Foo Fighters. Wenn Joss Stone fertig gesungen hat, spielen tatsächlich die Foo Fighters mit „Halo“ auf, angezeigt wird dann aber „Balkon gegenüber“ von Kettcar – und so weiter. Hier müssen die Schweden noch nachbessern. Bis dahin: Wohl dem, der ein iPhone mit viel Speicher gekauft hat und so viel Musik mit sich herumtragen kann.
 

Andere Apps

Schade ist, dass Entwickler nicht selbst und auf eigene Faust ihre Apps für CarPlay anpassen können, sondern von Apple dazu eingeladen werden müssen. Einerseits ist das natürlich verständlich. Man will (und muss es vermutlich auch) verhindern, dass Spiele, Video-Apps oder sonstiges ihren Weg nach CarPlay finden. Andererseits ist es traurig, dass sowohl zuerst nur die „Großen“ Zugang zu CarPlay haben werden. Wie eben Spotify. Besonders schade für Podcast-Fans ist, dass sie mit der Podcast-App von Apple Vorlieb nehmen müssen, die auf so manche Weise anderen gängigen Podcast-Apps wie Instacast, Overcast oder Downcast hinterher hinken.
 
 
Ein kleiner Work-around ist es, einen Podcast in der App des Vertrauens direkt auf dem iPhone zu starten. Auch bei aktiviertem CarPlay wird dieser dann über die Autolautsprecher wiedergegeben. Entgegen der ursprünglichen Behauptung, ist es sehr wohl möglich zum Beispiel einen Podcast, der mit Instacast abgespielt wird in „Sie hören“ zu pausieren und wieder neu zu starten. Außerdem sind 30-Sekunden-Sprünge nach vorne und nach hinten möglich. Für längere Fahrten müsste man sich also vorher eine Podcast-Playlist mit den Podcasts, die man sich für die Tour „vorgenommen“ hat, anlegen. Auf unseren verhältnismäßig kurzen Testfahrten in und um Kiel hat das problemfrei funktioniert. Ob das auch bei längeren Fahrten verlässlich so klappt, muss sich erst noch zeigen.
 

Fazit

CarPlay ist schon in seiner jetzigen Form die mit weitem Abstand beste iPhone-Integration in ein Autoradio-System, das wir bislang gesehen haben. Da gibt es keine Diskussionen. Vermutlich war es für Apple schwer genug, hier überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen, sodass man in der Startphase über kleinere Fehler sicher großzügig hinwegsehen kann. Wie es Spotify in dieser Version in das CarPlay-System geschafft hat, ist uns aber etwas schleierhaft. Außerdem bleibt zu hoffen, dass sich Apple schnell für andere App-Anbieter öffnet. Es wäre schon schön, statt der Karten-App alternativ die Navigationslösung von Navigon oder TomTom nutzen zu können.

Und auch andere Podcast-Apps müssen dringend zugelassen werden. Oder Apple bohrt die eigenen Anwendungen gehörig auf. Praktisch wäre es zum Beispiel, Karten für zu fahrende Routen vor Antritt der Reise im heimischen WLAN herunterladen zu können, damit mobile Datenvolumen geschont wird - ähnlich wie bei Google Maps.

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Sehr schöner Bericht! Vielen Dank!

P.S. Sehr guter Musikgeschmack (Joss Stone) :-)

Klasse geschrieben! Danke dafür!

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