„Jede verdammte Band auf diesem Planeten“

Digitale Kultur: MySpace

MySpace hat ein Stückchen Musikgeschichte mitgeschrieben. Doch nach einer Reihe fragwürdiger Entscheidungen und Fehleinschätzungen scheint das ehemals größte soziale Netzwerk der Welt nun dem Untergang geweiht. Das sind schlechte Nachrichten für viele Bands, die über die Plattform ein dichtes Netzwerk aus Kontakten aufgebaut und gewinnbringend für sich eingesetzt haben. Doch auch wenn die guten Zeiten wohl endgültig der Vergangenheit angehören: Aus den Fehlern lassen sich wichtige Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen.

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Der 27. Oktober 2010, da waren sich alle Analysten und Experten einig, werde der Tag sein, an dem die Talfahrt von MySpace endet. Es gab eine strategische Neuausrichtung. Es gab das Versprechen, aus Fehlern gelernt zu haben. Vor allem aber gab es ein Redesign, das aus einer schleppend langsamen, Spam-verseuchten, rückwärtsgerichteten und vollkommen unübersichtlichen Seite ein modernes, vielseitiges Entertainment-Center machen sollte. Noch am selben Tag berichtete das Online-Magazin Techn.Fortune, dass man „die Kehrtwende geschafft“ habe. Ein gewisser Jason Brush, dessen Berufsbezeichnung „Executive Vice President of user experience design“ sich spannender liest als der eigentliche Artikel zum Thema, fand einige anerkennende Worte: „Mir gefällt, was sie getan haben. Der präziser herausgearbeitete Fokus hilft ihnen, sich gegen Twitter und Facebook abzugrenzen. Die Leute brauchen keinen dritten Mitbewerber um die Krone der sozialen Netzwerke. Aber als „Entertainment-Magazin“ funktioniert es.“ Alleine schon die Aussage, MySpace sei in Sachen Social Networking – eine Kategorie, welche die Seite immerhin praktisch eigenhändig aus der Taufe gehoben hatte – nicht mehr konkurrenzfähig, machte indes den Ernst der Lage deutlich. Schon fünf Minuten nach der hoffnungsfrohen Ankündigung stellte sich dann heraus, dass die Analysten und Experten offensichtlich das Wichtigste vergessen hatten: sich die Seite einmal anzusehen. Nutzer, die sich in das neue Profil einloggten, wurden wie immer von den bereits gefürchteten, quälenden Werbebannern erschlagen, und selbst auf nagelneuen Laptops ließ die Geschwindigkeit der Präsenz so manches DSL-Modem wie einen Formel-1-Wagen erscheinen. Wenn etwas konsequent war an einer der desaströsesten Verschlimmbesserungen der Online-Geschichte, dann lediglich, dass sich die Betreiber der Plattform erneut zu allerletzt um diejenigen gekümmert hatten, die gemeinhin als das Kapital von Web 2.0 gehandelt werden: ihre Nutzer.

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