Software-Synthesizer

Native Instruments Massive

Ganz aus der Reihe und fernab einer Messe veröffentlichte Native Instruments in diesem Herbst neben zahlreichen Updates für bestehende Produkte ein neues Instrument. Was ist Massive, wie klingt der Synth, und wie intuitiv lassen sich neue Sounds programmieren? Bringt der Neue etwas Wind in die derzeit etwas innovationsarme Synthesizer-Landschaft?

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Massive ist der Name des neusten Instruments der Berliner Software-Entwickler. Schon der erste Blick auf die Benutzeroberfläche verrät, dass es sich bei Massive um ein Instrument handeln könnte, das die Klangfarben anderer NI-Produkte gewinnbringend ergänzt.

Theorie

Das Rohmaterial der Massive-Klangerzeugung entspringt drei Wavetable-Oszillatoren. Die Wavetable-Oszillatoren des Synths greifen, ähnlich der Oszillatoren des TerraTec Komplexer, auf mathematische Abbildungen eines Wellenverlaufs zurück. So kann ein Klang bereits auf Oszillator-Ebene komplett umgekrempelt werden. Ist in einer Wavetable beispielsweise der Übergang von einem Rechteck auf einen Sägezahn beschrieben, lässt sich ein Morphing dieser Wellenformen direkt im Oszillator bewerkstelligen. Insgesamt stehen mehr als 80 verschiedene Wavetables zur Auswahl. Ein Rauschgenerator sorgt für zusätzliches Futter, das in die subtraktiv ausgelegte Klangerzeugung eingespeist werden kann. Ein Modulationsoszillator (im Prinzip ein bis in den hörbaren Bereich hinein schwingender LFO) kann beispielsweise zur Ringmodulation oder zur Modulation der Position innerhalb eines Wavetables genutzt werden. Im subtraktiven Bereich packen zwei Multimode-Filter zu, die in verschiedenen Tief-/Hoch- und Bandpass-Modi betrieben werden können.

Sättigungseffekte lassen sich mit dem Filtermodell Scream erreichen, einem Tiefpassfilter mit interner Rückkopplung. Eine Reihe weiterer Filtermodelle (Bandsperre, Allpass, Kammfilter, Doppel-Kerbfilter und Daft) lassen kaum einen Wunsch offen. Der Ausgang von Signalquellen kann zwischen diesen beiden Filtern aufgeteilt werden – auch eine Überblendung zwischen serieller und paralleler Filterschaltung ist möglich. Über einen Feedback-Bus lassen sich schnell interessante Verzerrungen erzeugen. Insert-Effekte lassen sich an verschiedenen Punkten innerhalb der Klangerzeugung einklinken, darunter zum Beispiel Effekte zur zeitlichen Verzögerung von Signalen, aber auch Effekte zum Erzeugen von Lo-Fi-Sounds (Bitcrusher) und zum Verschieben des Frequenzspektrums (Frequenz-Shifter). Dabei lassen sich die Effektparameter auch modulieren.

Zur Modulation stehen LFOs, Hüllkurven und ein Step-Sequenzer bereit. Modulationsverknüpfungen lassen sich einfach via Drag & Drop erstellen, wobei das Routing sehr flexibel ist. Eine Modulationsquelle kann natürlich mehrere Ziele modulieren, ein Ziel kann aber auch von mehreren Quellen moduliert werden. Die Visualisierung von Modulationen erfolgt nicht über eine tabellarische Modulationsmatrix, sondern über farbige Ringe um die jeweiligen Parameter. Schlussendlich: Der Master-Effekt-Bereich umfasst Klassiker wie etwa verschiedene Phaser-, Flanger-, Chorus-, Reverb- und Delay-Modelle. Zwei dieser Effekte und ein Master-EQ können zeitgleich eingesetzt werden. Zudem kann eine Röhrenverstärker-Simulation mit verschiedenen Charakteristiken hinzugeschaltet werden.

Prüfung

Der Massive-Karton enthält eine Installations-CD-ROM und die -Seriennummer. Zudem liegen zwei Handbücher bei. Eines davon ist das generische Handbuch aller neuen NI-Instrumente und beschäftigt sich mit der Installation und der Service-Center-Anwendung, das zweite Handbuch erklärt Massive. Lobenswerterweise werden hier immer wieder kurze Experimente beschrieben, die einen spielerisch an die Bedienung und Funktionsweise des Synthesizers heranführen – auf einen Referenz-Teil zum Instrument muss man aber nicht verzichten. Wie schon im Test des FM8 müssen zur eigentlichen Installation keine Worte verloren werden. Alles funktioniert so, wie erwartet.

Massive ist eines der ersten Universal-Binary-Instrumente aus dem Hause Native Instruments. Die Umsetzung als Universal Binary ist, ebenso wie beim FM8, gut gelungen. Allerdings belastet Massive die CPU-Kerne unseres MacBook Pro (Intel-Core- Duo-CPU mit 2 GHz) beim polyphonen Spiel je nach Sound-Struktur mit bis zu 70 % – die Gier nach Rechenleistung ist offensichtlich. Im Gegensatz zu anderen Instrumenten werden Sie hier, abhängig von der verwendeten Computer-Hardware, der Polyphonie und der Menge an Massive-Instanzen häufiger Spuren in Ihrem Sequenzer „einfrieren“ müssen. Massive verursachte in unseren weiteren Tests auf einem MacBook Pro als Stand-alone-Version und als AU-Instrument unter Logic Pro 7.2.3 keine Probleme, nur die Anzeige der Preset-Namen in der jeweiligen Audio-Instrument-Spur funktionierte nicht.

Der Gier nach Rechenleistung steht die Möglichkeit gegenüber, vielschichtige und interessante Klänge zu erstellen. Sound-Designer freuen sich dabei über die klare Struktur der Benutzeroberfläche und Extras wie dem Feedback-Bus, die gelungenen Wavetables und die in drei verschiedenen Modi einsetzbaren LFOs. Produzenten hingegen werden die Integration in KORE zu schätzen wissen. Alle 420 Sounds sind mit Attributen versehen und lassen sich über den Massive-internen Sound-Browser ebenso filtern wie über KORE. Über acht Makro-Regler kann zudem schnell und vor allem effektiv in einen Sound eingegriffen werden. Somit ist Massive sowohl für Soundschrauber als auch für Preset-Nutzer leicht zugänglich.

Features

  • Software-Synthesizer mit drei Wavetable-Oszillatoren
  • zwei seriell/parallel verschaltbare Filter mit je elf Filtertypen
  • Zuweisung von Modulationen via Drag & Drop
  • acht Makro-Regler
  • Effekt-Bereich mit 17 Master- und Insert-Effekten
  • Step-Sequenzer
  • 420 spielfertige Klänge

Fazit

Der Name „Massive“ führt vielleicht etwas in die Irre. Natürlich kann der Neue von NI auch „massive“ Sounds: Die Attribute breit und fett stehen ihm besonders gut und verzerrte Lead-Sounds, tiefe Bässe und kranke Effekte gehören natürlich auch zu seinem Repertoire. Darüber hinaus kann er aber auch im Bereich atmosphärischer Klänge überzeugen. Man würde Massive unrecht tun, wenn man ihn auf eine Sound-Kategorie festlegt. Native Instruments kombinierte bei Massive verschiedene Synthese-Ansätze (Wavetable, VA und Physical-Modeling) und verrührt diese mit einer gehörigen Menge an Erfahrung in der Entwicklung von Software-Instrumenten zu einem ausgeklügelten Instrument:

Mit Massive ist den Berlinern das Debüt einer mehr als soliden 1.0-Version eines Software-Synthesizers gelungen, der durch seine Originalität wohltuend aus der Menge an Emulationen vergangener Hardware-Legenden hervorsticht. Vielleicht ist Massive sogar ein Herausforderer für etablierte Hardware. Wäre da nur nicht dieser Hunger nach Prozessorleistung, selbst im Low-Quality-Modus ...

Testergebnis
ProduktnameMassive
HerstellerNative Instruments
Preis299 €
Webseitewww.native-instruments.de
Pro
  • leichte Zugänglichkeit dank durchdachter Oberfläche
Contra
  • CPU-intensiv
SystemvoraussetzungenMac OS X 10.4.x, Universal Binary, G4 1.4 GHz oder Intel Core Duo 1.66 GHz, 768 MB RAM
Bewertung
1,5sehr gut

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