Mountain View und der Datenschutz

Google Latitude – Ein Bärendienst am Nutzer?

Der Internet-Riese Google bietet seit Kurzem die Möglichkeit, Familie und Freunde ständig über den eigenen Aufenthaltsort auf dem Laufenden zu halten. Google Latitude nennt sich der Dienst, und in den wenigen Wochen seit seiner Einführung hat er bereits einige Überlegungen über Segen und Fluch der Fähigkeit zur ständigen Kontrolle angeregt.

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Google startete Anfang Februar dieses Jahres seinen neuen Dienst Google Latitude. Nach der Anmeldung bei diesem Service kann man Freunden und Bekannten auf ihrem Mobiltelefon oder Computer seine Position anzeigen lassen. Per GPS und vermutlich über Mobilfunk-Masten wird der Aufenthaltsort bestimmt und anhand eines kleinen Symbols auf der Karte angezeigt. Dabei kann der Nutzer wählen, wem er welche Informationen zugänglich macht oder auch den Dienst jederzeit komplett deaktivieren. Außerdem kann eine falsche Position manuell eingegeben werden, um den Beobachter über den eigenen Standort zu täuschen. Es scheint also zunächst, als sei Latitude wasserdicht, was den Datenschutz angeht. Warum suggerieren dann aber die Überschriften der Presse-Berichte, dass „Chefs ihre Mitarbeiter verfolgen“ könnten (Digital Journal, [1]) oder „Google das Ende der Privatsphäre manifestiere“ (Der Spiegel, [2])?

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Wissen ist Macht

Ist Google Latitude wirklich so gefährlich für die Datensicherheit? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnte die Position der Latitude-Nutzer nur mit deren Einverständnis bestimmt werden. Doch nun stelle man sich vor, dass ein Unternehmen nicht nur das Beste für seine Mitarbeiter will. In der Vergangenheit gab es gerade in Deutschland genug Fälle, die nahelegen, dass so eine Situation leider nicht sehr weit hergeholt ist. Angenommen also, der Chef eines größeren Unternehmens würde gern wissen, ob seine Mitarbeiter im Außendienst ihre Arbeit auch gewissenhaft erledigen. Alles was er tun müsste, wäre den Arbeitnehmern ein Dienst-Mobiltelefon mit bereits aktiviertem Latitude-Dienst zu überreichen. Er könnte somit immer feststellen, ob die Mittagspause unnötig in die Länge gezogen oder der Dienstwagen über Gebühr für private Zwecke missbraucht wird. Moment, wird Google hier einwenden, auf mindestens einem Großteil der unterstützten Geräte bekommt der Nutzer einen Hinweis, wenn er den Dienst eine Weile nicht in Anspruch genommen hat!

Latitude: „Eine unnötige Gefahr für den Datenschutz“

Die britische Organisation Privacy International hat allerdings bereits darauf hingewiesen, dass es momentan auf einigen Mobiltelefon-Modellen gerade nicht möglich sei, eine Nutzungs-Erinnerung für den Dienst zu erhalten. Es bestünde daher die Gefahr, dass Dritte die Anmeldung vornehmen und so ohne Wissen des Betroffenen ständig feststellen könnten, wo er oder sie sich gerade befi ndet. Zwar sei eine baldige Nachrüstung dieser Benachrichtigungsfunktion geplant, gestartet wurde der Dienst jedoch wissentlich, ohne eine solche Option auf allen unterstützten Geräten zur Verfügung zu stellen. Schließlich bezeichnet die Organisation Google Latitude als „unnötige Gefahr für den Datenschutz und die Sicherheit der Benutzer“ [3]. Googles Einwand verliert dadurch etwas an Gewicht. Solange nicht alle Handy- Modelle das Sicherheitsmerkmal bieten, ist der Dienst potentiellem Missbrauch ausgeliefert, und die Tatsache, dass Latitude gestartet wurde, obwohl Google von dieser Sicherheitslücke wusste, zeugt nicht gerade von Sensibilität. Das Thema Datenschutz sollte man im Hinblick auf die jüngsten Skandale bei Telekom und Deutscher Bahn tunlichst mit Samthandschuhen anfassen. Doch auch wenn alle Geräte eine Mitteilung erhalten, erfolgt diese Benachrichtigung des Anwenders nur dann, wenn der Dienst nicht genutzt wird, das heißt wenn Latitude gerade keine Positionsdaten empfängt. Stellt unser Arbeitgeber aus dem Beispiel das Handy also auf ständiges Orten ein, erfährt der Mitarbeiter im schlimmsten Falle nie von seiner Überwachung.

Kein Wohltätigkeitsverein

Sicherlich will Google seinen Nutzern nichts Böses, doch hinterfragt man die Motive eines der größten Unternehmen weltweit, gelangt man unweigerlich zu fi nanziellen Aspekten. Natürlich bietet man auch in Mountain View Dienste nicht zu rein wohltätigen Zwecken an, sondern muss auch an die über 16 000 Mitarbeiter denken. Das tägliche Brot von Google ist die Werbung, wie sich spätestens aus der Akquisition des Unternehmens Doubleclick ergibt, die von der EU-Kommission im März 2008 genehmigt wurde [4]. Da fast alle Google-Dienste kostenfrei sind, muss die Werbeindustrie große Mengen Geld in die Verwertung der Daten stecken, die aus der Nutzung dieser Dienste erwachsen. Deswegen liegt es nahe, dass Google auch die Positionsdaten verwenden könnte und sie, zusammen mit den Surf-Daten aus dem hauseigenen Browser Chrome, Sucheingaben, gespeicherten Dokumenten auf Google Docs, Einkäufen über Google Shopping und vielem mehr zu einem Benutzerprofi l zusammenfügt. Die Werbe-Kunden zahlen schließlich mehr für zielgenaue Einblendungen bei nachweislich interessierten Personen.

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