Sprachwissenschaftlerin über „Apple-Sprech“:

»iPhone ist ein gutes Wort!«

Wie einflussreich sind Apples Wortschöpfungen auf den allgemeinen Wortschatz? Wir sprachen mit der Linguistin Dr. Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache über i-Wörter, Binnen-Schreibweisen und mehr.

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Mac Life: Frau Dr. Klosa-Kückelhaus, wie einflussreich ist die Sprache, die Unternehmen in ihrer Außendarstellung nutzen, auf den allgemeinen Sprachgebrauch?

Dr. Annette Klosa-Kückelhaus: In erster Linie lässt sich am allgemeinen Wortschatz ablesen, inwieweit Unternehmen am Sprachgebrauch teilhaben – indem sie etwa Produktnamen lancieren und propagieren oder möglicherweise sogar völlig neue Produktgattungen mit ihren Bezeichnungen schaffen. Wenn dann die Werbung oder der Austausch der Menschen untereinander diese neuen Begriffe im Wortschatz etablieren, können sie ihren eigentlichen Namencharakter und ihre spezifische Produktidentifikation verlieren und sich zu einem Deonym generalisieren.

Ein klassisches Beispiel ist das Wort „Tempo“: Dabei handelt es sich eigentlich um einen Produktnamen, der sich allerdings im Sprachgebrauch zu einer Gattungsbezeichnung für Papiertaschentücher gewandelt hat.

Das ist Apple mit dem iPhone zumindest teilweise gelungen. Viele Menschen in meinem Bekanntenkreis reden von ihrem iPhone, wenn sie ihr Samsung-Smartphone meinen.

Das ist mir persönlich bislang nicht begegnet. Ich kenne aber viele Leute, die den Begriff „Handy“ nutzen, der ja auch ein Neologismus ist. Interessanterweise handelt es sich dabei um einen Pseudoanglizismus, den es so meines Wissens nach nur im Deutschen gibt.

(Bild: privat)
Dr. Annette Klosa-Kückelhaus …

… ist Leiterin des Programmbereichs „Lexikographie und Sprachdokumentation“ am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Sie zeichnet verantwortlich für das gegenwartssprachliche Onlinewörterbuch „Elexiko“ sowie das Neologismenwörterbuch. Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit der Akzeptanz von Neologismen im Deutschen und der Integration von Fremdwörtern allgemein. Außerdem ist sie Präsidentin der „European Association for Lexicography“ (Euralex).

Besonders Apple tut sich in der Erschaffung neuer Wörter und Schreibweisen immer wieder hervor. Die bekanntesten sind sicher die „i-Wörter“, also etwa das iPhone, der iMac oder der iPod. Wie betrachten Sie diesen Coup aus sprachwissenschaftlicher Sicht?

Es war klug von Apple, eine Schreibweise zu kreieren, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Da die deutsche Sprache eine Kleinschreibung von Substantiven normalerweise nicht zulässt, zieht die von Apple gewählte, nicht normgerechte Schreibweise Aufmerksamkeit auf sich und generiert so einen hohen Wiedererkennungswert.

Die i-Wörter sind aber auch deshalb hervorragend gewählt, weil sie sich für eine Reihenbildung eignen und damit die Verankerung in unserem mentalen Lexikon noch weiter befördern. Auf den iMac folgte der iPod, auf den iPod folgte das iPhone und darauf das iPad. Da mutet es fast etwas inkonsequent an, dass die Apple Watch nicht iWatch heißt.


Es war klug von Apple, Schreibweisen zu kreieren, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzen. —   Dr. Annette Klosa-Kückelhaus

Hat Apple diese orthografischen Tricks nicht sogar erfunden?

Nein, im Deutschen findet sich etwa im technischen Bereich gern das vorangestellte kleine e, das dann „electronic“ oder „elektronisch(e)“ abkürzt. Dabei existiert eine ganze Bandbreite an Schreibweisen: Neben dem kleinen e gibt es das kleine e mit Bindestrich oder das große E mit Bindestrich. Im Englischen ist es ähnlich.

Diese Möglichkeit der Abkürzung besteht also im allgemeinen Sprachgebrauch schön länger. Insofern ist es doppelt klug von Apple, bei der Generierung von Produktnamen darauf zurückzugreifen.

Ein weiterer sprachlicher Einfluss Apples bezieht sich auf die Zusammenschreibung eigentlich getrennter Wörter: MacBook, HomePod etc.

Diese Produktnamen sind zunächst einmal ja innerhalb des englischen Sprachraums entstanden, der eigentlich nicht vorsieht, Komposita zusammenzuschreiben. Daher ist es genial, dass Apple innerhalb des Schriftbilds signalisiert, ein aus mehreren Wörtern bestehendes Neuwort zu bilden.

Im Deutschen ist es hingegen nicht überraschend, Komposita zusammenzuschreiben – hier ist es sogar die Norm. Umso wichtiger ist es, auf die Zusammenziehung mit einer besonderen Schreibweise hinzuweisen. Diesen Schachzug macht sich unter anderem auch die Deutsche Bahn zunutze, wenn sie etwa bei der „BahnCard“ das Binnen-C groß schreibt.

Ich finde interessant, dass die Bedeutung eines Wortes dabei oft zweitrangig ist. Selbst als über Apple berichtender Technikjournalist musste ich etwa den Sinn des „i“ in iPhone erst recherchieren. Der naheliegendste ist „Internet“, neuere Deutungen weisen etwa auf „Individual“ oder „Inspire“ hin.

Das Problem mit Abkürzungen ist eben, dass sie mehrdeutig sein können – besonders im internationalen Sprachgebrauch. Einerseits sind sie oft positiv besetzt, andererseits können sie in einigen Sprachen auch negative Assoziationen wecken. Denken Sie nur an das N-Wort als Euphemismus – obwohl mir dies beim i vom iPhone nicht bekannt ist.

Verlieren die Menschen zudem den Bezug zu dem zugrunde liegenden abgekürzten Wort, kann dies irgendwann zu Verwirrungen führen oder ein Produkt sogar skurril dastehen lassen. So erscheint etwa das ursprünglich für das Internet stehende i beim „iMac“ mittlerweile nahezu anachronistisch, weil das Internet im Vergleich zum Zeitpunkt der ersten Präsentation des Rechners im Jahr 1998 allgegenwärtig ist.

Vielleicht sollte Apple bewusst eine Neudeutung der Abkürzung anbieten. Denn eigentlich müsste das i heutzutage für „Intelligence“ stehen, schließlich reden derzeit alle von Künstlicher Intelligenz.


Das ursprünglich für das Internet stehende i beim „iMac“ erscheint mittlerweile nahezu anachronistisch. —   Dr. Annette Klosa-Kückelhaus

Ist aber ein solcher Mythos um die Bedeutung vielleicht sogar der Grund für den Erfolg eines Neuwortes?

Das mag sein, immerhin sorgt diese Mythologisierung dafür, dass die Leute darüber reden und eigene Deutungen entwickeln. Vielleicht ist es daher richtig, die Bezeichnung geheimnisvoll stehenzulassen und die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr aufzugreifen. Aber das sollten eher Marketingspezialistinnen und -spezialisten deuten.

Welche Ziele verfolgen Unternehmen bei der Erschaffung sogenannter Neologismen überhaupt – immerhin verlangen sie ja eine tiefere Beschäftigung als etablierte Worte?

Die Antwort liegt im zweiten Teil Ihrer Frage: Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wer etwa ein Neuwort liest oder einen Werbeslogan hört, der es enthält, soll daran hängen bleiben. Ein Neologismus wie „iPhone“ funktioniert besonders gut, weil er sowohl in der Schriftform als auch mit seinem Klangbild auffällt. Schließlich sagen wir ja im Deutschen nicht i-Phone oder i-Pad, sondern verwenden die englische Aussprache – sogar, wenn jemand der englischen Sprache gar nicht mächtig ist.

Ab wann verfängt eine Wortschöpfung im Bewusstsein der Zuhörenden – lässt sich ein gewisser „Kipppunkt“ ausmachen?

Häufig lässt sich dieser Moment zum Beispiel daran festmachen, wenn ein Begriff seine Markierungen verliert. Denn vielfach ist es so, dass Journalistinnen und Journalisten Wortschöpfungen zunächst in Anführungszeichen schreiben; unbekannte Anglizismen übersetzen sie sogar oder erläutern sie innerhalb einer Klammersetzung. Beim Sprechen machen viele oftmals eine Pause oder weisen auf einen neuen Begriff mit einer korrespondierenden Geste hin. Diese Phänomene lassen nach je nach Akzeptanz des Neuwortes im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedlich schnell nach.

Ein anschauliches Beispiel ist etwa die Corona-Zeit: Am Anfang setzte die Berichterstattung den Begriff „COVID-19“ regelmäßig in Anführungszeichen und erklärte ihn oftmals zusätzlich. Mit zunehmender Länge der Pandemie machte dies niemand mehr, weil wir alle gelernt hatten, was er bedeutet.

Wären Sie gern einmal bei einer Findungssession bei Apple für Wortneuschöpfungen dabei?

Unbedingt! Ich wäre auch gern dabei, wenn Politikerinnen und Politiker Begriffe erfinden; „Mütterrente“ etwa oder „Bürgergeld“. Denn ein Bundestagsabgeordneter hat mir einmal bestätigt, dass die Parteien dabei häufig professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Bei Unternehmen ist dies ebenfalls gang und gäbe.

Dabei erscheint mir nicht nur wichtig, wie neue Wörter geschrieben werden, sondern auch, wie sie sich deklinieren und grammatisch integrieren lassen. Das wären die Aspekte, bei denen ich mich einbringen würde. Allzu oft würde ich nämlich gern einschreiten, um besonders krude Wortschöpfungen abzuwenden.

Beim iPhone hätte ich jedoch nicht gemeckert. Das ist ein gutes Wort.

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Aus dem iPhone ist inzwischen optisch ein (Android) aPhone geworden. Und das kann man nun positiv sehen oder nicht. Ich wäre lieber beim schönen iPhone geblieben. Auch aus dem schönen iMac27 wurde ein (Kids) kMac24 in Toys-a-Rus-Farben.
Ich kann für Apple zu meinen bedauern immer weniger Begeisterung aufbringen.

wo ist denn das iPhone optisch zum Androide geworden?
das sehe ich garnicht! Vielleicht kannst das erläutern?

Android

Das sehe ich so nicht – im Gegenteil: Die aktuellen beziehungsweise kommenden Samsung- und Google-Flaggschiffe orientieren sich optisch klar am iPhone.

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