Investigativer Journalismus

Cold War

Der Kalte Krieg war gleichermaßen Schauplatz wilder Spionagefälle und heimlicher Verschwörungen. Im Schleichspiel „Cold War“ ist man als Spieler hautnah an solch einer Verschwörung beteiligt, allerdings nicht als Superspion, sondern als freier Reporter, der eher unfreiwillig in die Story seines Lebens stolpert …

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Wir schreiben das Jahr 1986, gegen Ende des Kalten Krieges. Heimlichkeit und Intrige waren bisher an der Tagesordnung, nun gibt es erste Zeichen der Entspannung. Matthew Carter ist als US-amerikanischer Journalist in der Sowjetunion auf der Suche nach einer heißen Story und wird dabei in ein Verschwörungskomplott höchster Brisanz hineingezogen. Nun muss der arme Matt nicht nur den sowjetischen Schergen entkommen, sondern auch mithelfen, das Komplott aufzudecken und braucht dabei natürlich die tatkräftige Unterstützung des Spielers.

Diese Verschwörungsgeschichte bildet den Hintergrund zu dem Schleichspiel „Cold War“, in deren Verlauf der Spieler alias Matt Carter nicht nur Spielfigur in einem Szenario katastrophalen Ausmaßes wird, sondern sich auch mit Wachen, russischen KGB-Agenten und den gefürchteten Speznas-Spezialeinheiten herumschlagen muss. Die Reise führt dabei durch authentische Nachbildungen existierender Schauplätze wie etwa dem Lenin-Mausoleum oder dem Tschernobyl-Kraftwerk.

Auf leisen Sohlen

Schleichen ist in Cold War natürlich essentieller Bestandteil des Gameplays, will man nicht entdeckt werden. Wichtigstes Hilfsmittel ist dabei die Sichtbarkeitsanzeige, die angibt, wie gut Carter gerade erkennbar ist. Neben dunklen Ecken und Hindernissen wie Tischen und Schränken hilft hier vor allem das Anschleichen im Kriechgang, um unbemerkt zu bleiben. Auch das Verstecken in Schränken oder der Umweg über Luftschächte ist möglich. Auch Geräusche können Carter verraten, deswegen lässt sich die Geh- bzw. Schleichgeschwindigkeit nahezu stufenlos per Mausrad einstellen. Zudem können Wachen beispielsweise mit geworfenen Münzen oder Zigaretten abgelenkt werden.

An vielen Stellen gibt es auch technische Einrichtungen wie Kameras oder Lasersysteme, die Carter das Leben schwer machen. Diese gilt es möglichst schnell abzuschalten, um keinen Alarm auszulösen. Manchmal können die Kameras aber auch nützlich sein, etwa wenn man die Laufwege der Wachen auskundschaften will.

Im Gegensatz zu den Genrekollegen Sam Fischer oder Solid Snake ist Matthew Carter kein ausgebildeter Spezialagent und muss somit ohne militärisches Training oder Spezialausrüstung auskommen. Offene Feuergefechte sollte man daher tunlichst meiden, und Ausrüstung muss man aus der Umgebung sammeln oder Gegnern abnehmen. Dafür ist neben Heimlichkeit Carters wichtigste Waffe sein Improvisationstalent, mit dem er sich seine Geräte einfach selbst herstellt.

Bastelstunde

In bester MacGyver-Manier bastelt man sich aus diversen in der Gegend herumliegenden Alltagsgegenständen wie Weckern, Dosen oder Ähnlichem zusätzliche Ausrüstung. Es ist ziemlich erstaunlich, was für nützliche Dinge man u. a. aus Plastikflaschen herstellen kann, angefangen von nichttödlicher Munition bis hin zu improvisierten Schalldämpfern. Auch Kombinationen sind möglich, wenn man z. B. aus einem Wecker, Elektronikteilen, Munition und einer Dose eine tödliche Sprengfalle baut. Dabei benötigt man neben den Utensilien auch so genannte Technikpunkte, um mehr und bessere Gegenstände herstellen zu können. Diese kann man durch das Aufsammeln von Bauplänen erwerben.

Allen selbst gebastelten Ausrüstungsteilen zum Trotz ist der heimliche Star in Carters Arsenal sein eigentliches Arbeitswerkzeug, nämlich seine Kamera. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine gewöhnliche Kamera, sondern um eine Röntgenkamera, mit der man durch Wände sehen kann. Da dabei auch Wachen anatomisch korrekt abgebildet werden ist die Kamera unheimlich praktisch, um unbemerkt schon mal den nächsten Raum oder Korridor ausspähen zu können.

Grauer Büroalltag

Technisch hinterlässt Cold War ein gemischtes Bild. Einige Dinge sind gut gelungen, so sind die Nachbildungen der Schauplätze verblüffend akkurat, bis hinunter zur letzten Lenin-Büste. Auch die Lichteffekte und Spezialitäten wie Rauch oder Regen sind sehr gut gelungen und wirken realistisch. Leider sind die meisten Schauplätze grafisch reichlich dröge. Die Gebäudekorridore und Räume sind ziemlich kahl und sehen sich zum Verwechseln ähnlich, was der Orientierung nicht unbedingt hilft. Grau- und Brauntöne beherrschen das Bild, sehr abwechslungsreich sind die Level nicht gerade, zu allem Überfluss werden quasi alle Schauplätze im Spiel mehrmals besucht.

Auch wenn das der monotonen Realität der Sowjetarchitektur wohl sehr nahe kommt, wäre in diesem Fall etwas mehr Abwechslung sinnvoll für den Spielspaß gewesen. Wichtig für ein Schleichspiel ist auch die KI der Gegner, schließlich versucht man ja meistens, die Kontrahenten auszutricksen, anstelle sie über den Haufen zu ballern. Hier bekleckert sich Cold War allerdings nicht mit Ruhm. Einige gute Ansätze sind da, aber gerade beim Anschleichen verhalten sich die Wachen manchmal doch sehr dämlich und reagieren nicht auf Geräusche oder Ähnliches.

Klangtechnisch geht aber alles in Ordnung. Die Musikauswahl ist nicht allzu umfangreich, sie wird aber geschickt zur Spannungssteigerung eingesetzt. Die Soundeffekte sind gut, die deutsche Synchronisation ist auch brauchbar, alternativ kann das Spiel aber ebenfalls in Englisch oder Französisch gespielt werden. Etwas irritierend sind die Zwischensequenzen, die in einem comicartigen Stil erscheinen und zwar gut gemacht sind, aber irgendwie unpassend wirken. Die technischen Anforderungen sind recht hoch, ein schneller G5- oder Intel-Mac sollte es schon sein. Dabei ist besonders ärgerlich, dass es keinerlei Einstellungsmöglichkeiten für die Grafik gibt, denn so kann man z. B. nicht die Details runterschrauben, um Cold War an schwächere Maschinen anzupassen. Cold War wird aus der Box als Universal Binary ausgeliefert.

Kommentar

Gefährlich ist das Journalistenleben: Bisher kam mir das nie so vor, aber ich musste mich auch noch nicht für eine Story mit dem KGB anlegen. Cold War bietet diese Nervenkitzel nun in Form eines Schleichspiels und bietet dabei einige gute Ideen. Die Geschichte ist spannend inszeniert, die Schleichaction in Ordnung und der Bastelaspekt ist innovativ – wer hätte schon geahnt, wie gefährlich Plastikflaschen sein können! Ein echtes Highlight ist die Röntgenkamera, durch die Wand gucken zu können ist witzig und ein wertvolles Hilfsmittel im Spiel. Der Eiserne Vorhang senkt sich aber über den Spielspaß, weil leider doch recht wenig Abwechslung geboten wird.

Nicht nur die Räumlichkeiten weisen frappierende Ähnlichkeiten untereinander auf, auch im Spielverlauf kommt nach einer Weile etwas Langeweile auf. Ständig durch die gleichen Gänge schleichen und Wachen auflauern ist auf die Dauer doch recht eintönig. Dazu kommt die Gegner-KI, die in einem Schleichspiel einfach cleverer sein muss.

Schade, Cold War ist solide, und gäbe es mehr Abwechslung, hätte aber ein echter Hit daraus werden können. So bleibt aber zumindest die Erkenntnis, welch tödliche Gerätschaften man alles aus Weckern, Stofffetzen und leeren Dosen zusammen basteln kann …

Testergebnis
ProduktnameCold War
HerstellerMindware Studios
Preisca. 50 Euro
Webseitewww.rune-soft.com
Pro
  • witzige Röntgenkamera
Contra
  • etwas dumme KI
SystemvoraussetzungenG4/G5 mit 1,6 GHz oder Mac mit Intel-Prozessor ab 1,8 GHz, Mac OS X 10.3, 64-MB-Grafikkarte, 256 MB RAM
Bewertung
2,7befriedigend

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