So überwacht Apple den iTunes Store

Blitzer auf der Brust

Die erstmalige Zulassung ist keine Garantie für den Verbleib im App Store. Die Kontrolleure ziehen auch später noch den Stecker und das ohne Ankündigung. Eines der ersten deutschen Opfer war das Magazin „Stern“ aus dem Hause Gruner + Jahr. Im Herbst 2009 war die App plötzlich aus dem Store verschwunden. Apple störte eine redaktionelle Fotostrecke über eine Nude-Art-Ausstellung. Bei der Bild-Zeitung mögen die Prüfer das „Girl des Tages“ nicht, zeigt es sich doch unverhüllt. In den Apps der Boulevard-Zeitung haben die nackten Damen jetzt weiße Blitzer auf den Brüsten. „Heute sind es nackte Brüste, morgen vielleicht redaktionelle Artikel“, fasst Donata Hopfen, Geschäftsführerin von Bild Digital, ihre Sorge in einer Mail an den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger zusammen. Neben den Beispielen der Medien-Apps ließen sich keine weiteren deutschen Fälle für App-Rausschmisse finden, weder im Gespräch mit einem der Initiatoren des Entwicklerverbandes Vieda noch über direkte Nachfrage bei einigen Entwicklern. Entweder greift hier Apples „Schweigegelübde“ oder es gibt die Fälle tatsächlich nicht.

Opfer der Willkür?

Was aber herauszuhören ist: Die Unberechenbarkeit der Prüfer, erschwert den App-Entwicklern das Leben. Manche Entscheidungen wirken willkürlich. Außerdem sind Wertevorstellungen regional unterschiedlich. Was ist den USA als anstößig wahrgenommen wird, kann im alten Europa vollkommen harmlos sein. Beides macht der Fall des spanischen Wissensmagazins „Muy Interesante“ deutlich. In der Februar-Ausgabe des Magazins, das ebenfalls bei Gruner + Jahr erscheint, heißt es auf dem Titel: „Wahrheiten und Mythen über den Penis“. Zu sehen ist ein nackter Mann, der sein bestes Stück mit den Händen verdeckt – nichts ist zu erkennen. Für die iPad-Version des Magazins mit einer Altersfreigabe von 12+ musste der Bildausschnitt verändert und die Schlagzeile umformuliert werden. Im selben Monat titelt die Cosmopolitan ganz unbeanstandet in den USA „50 Kinky Sex Moves“ und „Your other G-Spot“. Diese Magazin-App hat ebenfalls eine Freigabe ab 12 Jahren.

Landesunterschiede

Die Landesunterschiede werden noch an anderer Stelle deutlich. In den USA kann man ungestraft ein Hakenkreuz öffentlich zeigen. In Deutschland sieht das anders aus. Steht es nicht in Zusammenhang mit Kunst, Wissenschaft, Lehre oder Berichterstattung, ist das Symbol der Nationalsozialisten verboten. Dennoch gelangte im Herbst 2010 die App „Adolf Hitler SE“ mit einem Bild des Führers sowie einem Hakenkreuz im Icon in den Store. Apple sagte dazu nichts, doch der öffentliche Druck führt dazu, dass die App wenige Tage später aus dem deutschen Store verschwand.

Während ­Apples Kontrolleure bei nationalen Bestimmungen Schwächen aufweisen, nehmen sie sich in den USA sogar Musik vor. Buster Heine, Autor der amerikanischen Webseite Cult of Mac.com genießt seine Jogging-Runden mit rauer Rap-Musik: „... wanting to sing along and drop 50 F-Bombs a minute“, schreibt er in einem Beitrag. Doch plötzlich waren die Flüche mit dem F-Wort aus Liedern von Ice Cube, Jay-Z und Kanye West verschwunden – reingewaschen von iTunes Match. Der Musikabgleich in der iCloud hat die Explicit-Variante durch die jugendfreien Radio-Versionen ersetzt, ganz ohne Zustimmung des Käufers. Angeblich hat Apple dies als Fehler eingestanden und arbeitet an der Beseitigung. Apple wollte nie der Big Brother sein und warb in den Anfangstagen mit dem Slogan „Think different“. Doch zu sehr sollten Entwickler nicht „anders denken“. Die Grenzen sind eng gesteckt und keiner weiß ganz genau, wo sie entlanglaufen. Apple bleibt extrem flexibel in seinen Review Guidelines: „Wir werden jede App ablehnen, deren Inhalt oder Funktionen in unseren Augen eine bestimmt Grenze überschreiten. Was für eine Grenze fragst Du? Da halten wir es mit der Aussage eines Richter am US-Verfassungsgericht, der mal antwortete: „Ich weiß es, wenn ich sie sehe.“

Dirk Kunde

  • Seite
  • 1
  • 2

Mehr zu diesen Themen:

Diskutiere mit!

Hier kannst du den Artikel "So überwacht Apple den iTunes Store" kommentieren. Melde dich einfach mit deinem maclife.de-Account an oder fülle die unten stehenden Felder aus.

OH man Zensur ist wenn ein Staat etwas verbietet - was ich in meinem Laden verkaufe ist meine Sache!
Apples prudery ist zwar lächerlich, aber ich finde gut so denn sonst würde man im iTunes Store von Titten und Porno Apps erschlagen werden.

Wenn "dein Laden" jedoch der einzige ist, bei dem Leute kaufen können, dann kann man durchaus von Zensur sprechen, wenn Apple bestimmte Inhalte einfach löscht um dann selbst damit zu kommen (siehe WhatsUp, äh, ich meine natürlich iMessage)

Du weisst also mehr über die Gründe für das zeitweilige Verschwinden von WhatsUp? Na da lass mal hören!
Oder war das nur so aus der Bauchgegend geschossen?
Im übrigen ist der iTunes Store eher eine virtuelle Einkaufmeile und Apple als Besitzer entscheidet nunmal, welche Händler, welche Produkte anbieten dürfen. Ist bei MS, RIM, Sony (PS 3) u.a. genauso. Die große Ausnahme gibt es nur im Reich des kleinen, grünen Mülleimers™. Da ist alles super-duper frei und unfassbar offen.
Also worauf wartetst du noch? >:D

Der Bericht ist mal ganz gut! Nicht nur alles Lob für Apple, sondern auch mal etwas Anregung zum skeptischen nachdenken.

so wie im android market meinst du? tststs...

Super Bericht...sowas würde ich mir öfters wünschen :)

Klasse Bericht, weiter so!

Lieber solche Berichte als sich mit einem ollen Homebutton vom iphone 5,6,7 oder 8 die News voll zustopfen. Maclife Berichtschreiber sollten sich in sachen Gerüchte auch ein Grenze ziehen ab wann ein Gerücht es wert ist darüber zu berichten. Sonst geht das Spiel jedes Jahr von neuem los.

Vielen lieben Dank für den ersten wirklich richtigen guten Beitrag rund um Apple seit vielen Wochen! Kann mich Touareg1 nur voll anschließen.
Endlich mal Eigenleistung als nur blindes copy&paste aller Apple-News die hier immer Reih um durch jede Apple-News-Seite gehen. Danke

Sehr schöner Bericht. Das hat wirklich Spaß gemacht ihn zu lesen!

Regt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Mich würde es mal interessieren, ob und wie sich Apple nach diesem Bericht gegenüber MacLife verhält. Gibt es Einflussnahme auf die Berichterstattung?

Falls Apple sich dafür überhaupt interessiert. Zuerst einmal müsste Maclife den Bericht weiter verbreiten und dann gilt noch die freie Meinungsäußerung.

Jaja das F-Wort ... plötzlich war es verschwunden.

Aber auch ihr benutzt es offenbar lieber auch nur zensiert ??

Die Kommentare für diesen Artikel sind geschlossen.