Erfahrungsbericht

Googles Nexus 7 aus der Sicht eines Mac-Anwenders

Nur weil auf dem Tisch ein Apple-Computer steht, sind Mac-Anwender noch lange nicht mit Apple verheiratet. Wie iPhone, iPod und iPad mit dem Mac harmonieren wurde oft genug thematisiert, aber wie schlägt sich Googles Nexus 7 am Mac?

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Kaum gekauft und schon wieder etwas veraltet - die Rede ist hier nicht vom iPad 3, sondern vom Nexus 7. Das Google-Tablet wird voraussichtlich am Montag aktualisiert, wahrscheinlich wird eine 10-Zoll-Version mit einer Pixeldichte vorgestellt, die es mit dem iPad aufnehmen soll. Das kleine Nexus 7 soll angeblich in der 16 GB Version bald 199 und mit 32 GB 249 Euro kosten. Eine deutliche Preisdifferenz zum iPad mini.

Bei den kleinen Tablets sind Kompromisse unvermeidlich, dass gilt auch für das iPad mini (veralteter Prozessor, kein Retina-Display). Beim Nexus 7 sind dies der fehlende HDMI-Anschluss und die Rückseite aus Hartplastik. Vorteil für Google im Vergleich zu Amazons Kindle Fire: Auf dem Nexus 7 läuft das unbehandelte Android 4.1 (Jelly Bean), die Installation anderer App Stores ist kein Problem und die Google-Apps sind bereits vorinstalliert.

Hardware

Kein Unibody-Aluminium, aber die Verarbeitung kann dennoch überzeugen. Ungewöhnlich, zumindest für iOS-Nutzer, ist der Ein-/Ausschalter an der Seite. Die iPhone- und iPad-gewöhnte Hand geht dann doch instinktiv zur Oberseite. USB-Kabel und Netzteil zum Aufladen liegen bei.

Das Display ist im 16:9-Format. Dieses Format bringt einige Besonderheiten mit sich: Im Querformat eignet es sich sehr gut für Filme, aber weniger gut zur Textdarstellung. Das weiß auch Apple - und verglich die Web-Nutzung im Querformat zwischen Nexus 7 und iPad mini. Apple selbst zeigt Safari auf dem ebenfalls eher länglichen iPhone 5 daher grundsätzlich im Hochkant-Format und nicht quer.

Hochkant eignet sich das Nexus 7 hingegen sehr gut für Texte: Webseiten und eBooks haben etwas mehr Platz auf dem Bildschirm, selbst wenn die 70 Pixel abgezogen werden, die Android für die drei Tasten am unteren Bildschirmrand reserviert. Mit 1280x800 und einer Pixeldichte von 215ppi (iPhone 5: 326ppi, iPad 4: 264ppi) liegt es gleichauf mit dem Kindle Fire HD und vor dem iPad mini (1024x768, 162ppi).

Im Inneren steckt Nvidias Tegra 3, in dem ein Quad-Core-Prozessor mit 1,3 GHz enthalten ist. Das ist genug für aktuelle Spiele und auch Android 4.1. Über ein Nexus-Tablet mit Mobilfunk gibt es bisher nur Gerüchte. Der drahtlose Datenaustausch läuft über Wi-Fi, per NFC lassen sich mit bestimmten Android-Smartphones Daten austauschen. Bluetooth ist auf dem Nexus nicht nur für Kopfhörer und Tastaturen gedacht, sondern ebenfalls zur Datenübertragung: Es ist Bestandteil jedes Sharing-Menüs.

Das Zubehörangebot ist übersichtlich: Travel Cover in verschiedenen Farben gibt es von Asus, Hüllen mit Bluetooth-Tastatur und verschiedene Halterungen von anderen Herstellern. Empfehlenswert ist der Kauf eines USB-OTG-Kabels, denn dann lassen sich Massenspeicher an das Nexus 7 anschließen und mit Dateiverwaltungen von Drittanbietern nutzen. Auch Gamepads lassen sich verwenden, sie werden vom Betriebssystem unterstützt.

Betriebssystem

Noch wichtiger als die Hardware- ist die Software-Seite: Der Name "Nexus" steht für Google pur und dementsprechend viele Google-Apps sind vorinstalliert. Darunter ist der Flipboard-ähnliche Newsreader Currents und der Chrome-Browser, der einen guten Eindruck macht. Der Mail-Client ist auf Gmail fixiert, nur wer die Synchronisierung über den Gmail-Account laufen lässt, kann auch andere E-Mail-Konten verwenden. Wer mehrere Google-Dienste nutzt, wird aber alles schön eingerichtet vorfinden. Aktualisiert werden die Google-Apps (YouTube, Maps, Books, Kalender etc.) über Google Play. Eine frühe Google-Maßnahme gegen die Fragmentierung des Android-Markts war die Ausgliederung mehrerer Apps, so dass diese vom Betriebssystem unabhängig aktualisiert werden können.

Obwohl die Nutzung des Google-Ökosystems letztlich das Gerät finanziert - es gibt sogar einen 20 Euro Gutschein für den Play Store - ist Android 4.1 auf dem Nexus 7 offen gegenüber der Google-Konkurrenz. Wer Firefox bevorzugt, kann diesen als Standard-Browser verwenden, ebenso fragt das Betriebssystem bei anderen Aktionen nach, wenn mehrere installierte Apps dafür in Frage kommen. Wird die Installation von Apps aus fremden Quellen gestattet, ist zum Beispiel die Installation des Amazon App-Shop oder Mozillas Aurora-Browser möglich.

Android ist iOS ähnlich genug, dass Anwender mit dem jeweils anderen Betriebssystem schnell zurechtkommen sollten. Auch optisch macht das Google-Betriebssystem einen immer besseren Eindruck. Am gewöhnungsbedürftigsten ist vielleicht, dass der Home-Screen nicht alle installierten Apps und Widgets anzeigt. Diese werden nur eingeblendet, wenn das mittlere Symbol in der Favoriten-Leiste berührt wird. Auf den Home-Screen kommen dann die häufig benutzten Apps und die Lieblings-Widgets. Es gibt auch eine praktische Exposé-ähnliche Übersicht über alle aktiven Tasks.

Die Integration von sozialen Netzwerken ist ein weiterer Unterschied zwischen iOS und Android. Während sie bei Apple das Ergebnis fester Partnerschaften ist, können sich soziale Netzwerke unter Android in das Sharing-Menü eintragen. Das Konzept ist einfach, aber gelungen: Wer beispielsweise die Pinterest-App installiert, bekommt in allen Apps mit Sharing-Menü ab sofort auch Pinterest als Option.

Google Play

Google Play ist Googles Antwort auf den iTunes Store. Das Google noch nicht so lange im Geschäft mit Inhalten ist wie Apple, ist spürbar: Im deutschen Store gibt es nur Apps, Filme und Bücher. Mit thematischen Zusammenstellungen hält sich Google bei Apps und Filmen zurück - natürlich gibt es Kategorien, die aber bei hunderttausenden Apps überfüllt sind. Eine der aktuellen App-Empfehlungen ist ausgerechnet die von Spiegel Online, eine App, deren Oberfläche sehr an eine iOS-App erinnert. Sie wirkt dadurch wie ein Fremdkörper.

Obwohl Google Play Music noch nicht in Deutschland verfügbar ist, gibt es die Google Music App schon auf dem Gerät. Diese spielt auch Musik ab, die per USB übertragen wurde und ist spartanisch ausgestattet. Alternativen gibt es  genug (PowerAMP, WinAmp). Einfach aufgebaut ist auch der Movie Player, immerhin funktioniert hier der Online Store. Der vom Mac bekannte VLC ist auch für Android erhältlich, aber noch in der Beta-Phase.

Ausschließlich über den Google Book Store lässt sich derzeit Googles eBook-Reader befüllen. Kostenlose Buchklassiker und aktuelle Werke gibt es und da Google selbst scannt, kann in der Regel zwischen Text und Scan umgeschaltet werden. Amazon bietet die Kindle-App auch für Android an, außerdem finden sich diverse eBook-Reader von kleineren Drittanbietern (z.B. Fabrik).

Außer einem Gutschein stellt Google Nexus-Kunden gleich noch drei ältere Bücher und einen Film (hier: Transformers 3) zur Verfügung. Leider gibt es Guthabenkarten für Google Play bisher nur in den USA.

Apps

Das App-Angebot ist ähnlich groß wie für iOS, bei einigen Apps kann es zu Inkompatibilitäten zu Android 4.1 oder dem Nexus 7 kommen. Androids Stärke ist eindeutig die Vielfalt: Ohne Jailbreak lassen sich Widgets und alternative Dateimanager installieren, Retro-Fans freuen sich über Emulatoren. Weniger Regeln geben den Entwicklern mehr Freiheiten, was wiederum zu einer größeren Vielfalt an Apps führt. iOS hat trotz der größten App-Auswahl Lücken im Angebot: Alternative Browser müssen zum Beispiel die WebKit-Engine des Betriebssystems verwenden, alle Links gehen aber dennoch in Safari auf. Googles Designrichtlinien für die Holo-Oberfläche befolgen noch nicht alle Entwickler und manche Apps machen auf dem Mini-Tablet keine gute Figur.

Die Schattenseite der Offenheit ist, dass Google bereits zum Mittel der Fernlöschung greifen musste, um Malware automatisch von Android-Geräten zu entfernen. PC-Dimensionen hat das Malware-Problem allerdings noch nicht. Aus Entwicklersicht stört natürlich die Gerätevielfalt und das Raubkopiererproblem: Illegale Kopien lassen sich deutlich leichter installieren.

Zwar werden viele iOS-Spielehits inzwischen zeitnah auf Android portiert, aber nicht alle: Tiny Wings gibt es noch nicht für Android, ebenso wenig wie die Telltale-Adventures oder Infinity Blade. Bis vor kurzem mussten Spiele Daten nachladen, da Google nur Apps bis zu einer Größe von 50 MB hostete.

Aus Sicht eines Mac-Anwenders gibt es einen weiteren Punkt der für iOS spricht: Die Nähe zu OS X beschert iOS viele Begleit-Apps, die ihre Daten mit der Mac-Version synchronisieren. Inzwischen gibt es viele Mac-Anwendungen für iOS und viele iOS-Apps für den Mac.

Sync mit dem Mac

Das Nexus 7 ist ein MTP-Gerät (Media Transfer Protocol) und kein USB Mass Storage Device (UMS). MTP wird von vielen Betriebssystemen nativ unterstützt, von OS X aber nicht. Eine Option zum Umschalten auf UMS gibt es nicht, nur an die Fotos kommt der Mac einfach heran, denn das Tablet kann sich als Kamera ausgeben. Die Aussichten auf eine MTP-Unterstützung seitens Apple stehen schlecht, da Apples eigene Mobilhardware dieses Protokoll nicht verwendet.

Google stellt die App "Dateiübertragung für Android" zur Verfügung, die allerdings eher ein Provisorium ist. Statt komfortabler Synchronisierung gibt es nur ein Fenster mit den Verzeichnissen auf dem Gerät.

Die benutzerfreundlichste Möglichkeit zur Synchronisierung wäre doubleTwist: Die Anwendung sieht ähnlich aus wie iTunes und kann Musik, Fotos und Videos mit diversen Android-Geräten synchronisieren. Da das Nexus 7 vom Mac selbst gar nicht erst als Gerät erkannt wird und doubleTwist (noch) keine eigene MTP-Unterstützung besitzt, ist der Sync nur drahtlos möglich. Die Funktion zum drahtlosen Sync ist in der doubleTwist-App für Android kostenpflichtig. DoubleTwist arbeitet an einer neuen Version mit USB-MTP-Unterstützung.

Etwas leichter, aber nicht ohne Tücken, ist die Synchronisierung mit der iCloud. Von Martin Gajda gibt es im Play Store zwei günstige Apps: CardDAV synchronisiert Kontakte, CalDAV Kalender.

iCloud.com kann aufgerufen werden, wenn im Browser die Desktop-Version der Seite angefordert wird. Gut bedienbar ist die Web-Anwendung aber nicht.

Nexus 7 vs. iPad mini

Darf man Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn man der Apfel ist? Beim Vergleich mit dem Nexus 7 (von Phil Schiller nur "Android-Tablet" genannt) hat sich Apple nur das herausgepickt, was gerade passte. Bei kleineren Tablets soll es auf Größe ankommen, bei Smartphones hingegen nicht und schon gar nicht bei großen Tablets. Die Wiedergabe von Filmen, für die alle 16:9-Tablets letztlich gemacht sind, blieb unerwähnt - ebenso wie die Tatsache, dass das Nexus 7 mit seiner höheren Auflösung auf einem kleineren Display näher an "Retina" dran ist, als Apples iPad mini. Im Hochkantformat lässt die Webnutzung auf dem Nexus wenig Wünsche offen. Spiele haben ohnehin eine eigene Oberfläche.

Im Querformat stehen für Websites zu wenig Pixel zur Verfügung: Während das iPad selbst mit eingeblendeter Lesezeichenleiste 644 Pixel in der Höhe zur Verfügung stellt, sind es beim Nexus 7 mit Chrome nur 585 Pixel. Mit einem Browser mit Vollbildmodus lässt sich auf beiden Geräten mehr herausholen, aber beim Nexus 7 bleibt die 63-75 Pixel hohe Leiste mit den drei Softwaretasten immer eingeblendet.

Allerdings hat Google in einigen Bereichen noch Aufholarbeit zu leisten: Die Play-Store-Startseiten wirken wenig ansehnlich und einige Google-Apps sind ausbaufähig. Wichtiger ist aber, dass mehr Entwickler von Googles Designrichtlinien überzeugt werden: Das "Holo"-Thema ist durchaus ansehnlich, aber einige "große" Apps (Spiegel Online, Flickr, DB Navigator) präsentieren sich leider in einem nicht akzeptablem Zustand.

Das iPad mini profitiert hingegen von seiner Verwandtschaft: Für iPhone und iPad wurden viele Apps zuerst entwickelt und erst später umgesetzt.

Der Vergleich fällt wegen des Preises schwer: Derzeit liegen 80 Euro zwischen dem Nexus 7 16 GB und dem iPad mini 16 GB. Am 29. November wird das 16 GB Modell das alte 8 GB Nexus 7 ersetzen und für 199 Euro angeboten werden. Angeblich wird es dann eine 32 GB Variante für 249 Euro geben - Apple verlangt für mehr Speicher gleich 100 Euro Aufpreis. Der Preis des Grundgeräts ist vielleicht noch durch die bessere Verarbeitung zu rechtfertigen, die Aufpreise für mehr Speicher und Mobilfunk aber nicht.

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ich habe es auch vor 2 Monate gekauft und bleibe dabei.. sorry aber 329 eur für das iPad Mini.. noway.. auch wenn ich seit 20 Jahre nur mit Mac Geräte arbeite

ich bin völlig zufrieden und warte nur noch bis das Nexus mit 3G rauskommt

Das einzig wichtige Kriterium wurde ausgelassen: Kann ich vom Nexus 7 meine persönlichen Dateien (also zB Fotos) als Backup auf einen USB Stick kopieren, ohne einen weiteren Computer zu besitzen. Wenn das auch nicht geht, gibts für mich kein Argument dafür.
Der Rest ist eine Preisfrage und Geschmacksache. Wie bei jedem Fernseher, Auto, Kaffeemaschine.

Genauso ist das. Nur dass es für Kaffeemaschinen meines Wissens keine tausend Foren gibt, in denen sich die Nutzer verschiedener Marken gegenseitig niedermachen.

USB Stick an das Nexus? Kein Problem, geht ohne Probleme, siehe http://t3n.de/news/nexus-7-schliest-externe-410234/

Ein wirklich guter, gelungener und fairer Test. Für 200 € ist das Nexus 7 wirklich Top, da kann man echt nichts sagen. Wie allgemein die Nexus Reihe das Beste ist, was man von Android bekommen kann.

klar ist sicher ein brauchbares Gerät, aber iOS ist mir lieber allein schon weil es mit OSX verzahnt ist.

Ein guter Test, Respekt!

Klar gibt es Unterschiede, wenn man von Android auf iOS wechselt oder umgekehrt. Aber beides sind für sich sehr gute Systeme, mit Vor- und Nachteilen gegenüber der Konkurrenz.

Klasse Bericht, bitte mehr davon.
Auch der Hinweis von CMV, dass ein USB-Stick angeschlossen werden kann ist sehr interessant. Danke!
Vielleicht liest ja jemand von Apple mit. :-)

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