Ist das Apple-Imperium gefährdet?

Zum 2. Todestag von Steve Jobs: Der lange Schatten des iGods

Als Steve Jobs am 5. Oktober 2011 im Alter von nur 56 Jahren seinem schweren Krebsleiden erlag, hinterließ der Apple-Gründer seinem Nachfolger das größte Königreich der Wirtschaftswelt. Zwei Jahre später ist das Imperium gefährdet. Sein Nachfolger schlingert, Jobs’ Visionen fehlen Apple mehr denn je.

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Alle paar Monate kommt die Wehmut zurück. Tim Cook besteigt die Bühne des Apple-Campus, um neue Produkte vorzustellen, und sofort wird einem bewusst, was fehlt: die Aura des Gründers, die alles zusammenhielt. „Good Morning“, sagt Tim Cook im breiten Südstaatenakzent und fügt manchmal ein zweites Mal hinzu: „Good Morning.“

Was dann folgt, ist für Apple-Fans vergangener Jahre und Jahrzehnte schwer mit anzusehen. Man mag über Cook in ein paar Jahren als Jobs-Nachfolger urteilen, wie man will – ein Manko ist jetzt bereits gewiss: Ein großer Redner ist er nicht. Nicht mal ein passabler. Cook holpert sich durch die auswendig gelernten Phrasen, und erstaunlich oft verpatzt er selbst die. Die Superlative wirken bemüht, die Gesten gesucht. Nicht selten gibt es Augenblicke, da bekommt man Mitleid mit diesem durchtrainierten Mann auf der Bühne, der zugleich Vorstandschef des wertvollsten Konzerns der Welt ist.

Tim Cook ist nicht Steve Jobs, er würde es nie sein, das war klar – und doch wirkt der Abstand zu seinem Mentor in diesen Tagen ein bisschen zu groß: ganz so, als sollte die Lücke von Jahr zu Jahr größer werden. Wenn Steve Jobs auf der Bühne des Moscone Centers umherschlich, wirkte er selbst in den letzten Jahren, in denen er im fortgeschrittenen Stadium seiner fürchterlichen Krebserkrankung bis auf 40 Kilo abgemagert war, wie ein Tiger, der in der nächsten Millisekunde zum großen Sprung ansetzen konnte. Steve Jobs war immer gefährlich. Jeder Satz, den Jobs sagte, konnte den Lauf der Geschichte verändern. Jobs sprach, wie vielleicht nur Barack Obama spricht. Es war fast, als würde er singen. Der hymnische Klang seiner Stimme veränderte alles.

Steve Jobs’ Reality Distortion Field fehlt Apple

„This is a day … I’ve been looking forward to for two and a half years“, hob Jobs bei der ersten iPhone-Keynote im Januar 2007 an. „Dies ist ein Tag, auf den ich mich seit zweieinhalb Jahren freue.“ Jobs hält die Arme hinter seinem charakteristischen schwarzen Rollkragenpulli verschränkt und schreitet dann bedeutungsvolle zwei, drei Sekunden auf der Bühne vorüber, wie ein General, der das Schlachtfeld überblickt. Im nächsten Moment wird er die Bombe zünden: „Every once in a while, a revolutionary product comes along, that changes everything“, erklärt Jobs. „Immer mal wieder kommt ein revolutionäres Produkt daher, das alles verändert.“ Die Dramatik ist mit jedem Wort greifbar.

Es war diese Art, wie Steve Jobs etwas sagte, die Berge versetzte. Das Zusammenspiel des unnachahmlichen Timbres mit der Entschlossenheit eines Besessenen war es, was das sogenannte „Reality Distortion Field“ kreierte. Steve Jobs’ Worte waren eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie wurden wahr. Selbst in den letzten Jahren, als die schwere Krankheit Jobs fast dahingerafft hatte, schien allein Jobs’ Erscheinung Apple zusammenzuhalten. Er war der Mann, der Apple erschaffen, gerettet und wieder neu erfunden hatte. Steve war unschlagbar, er würde immer eine Vision haben – und selbst, wenn sie nur darin bestand, Steve Jobs zu sein.

Zwei Jahre ist es nun her, dass der Mann, der Apple gründete und über 14 Jahre führte, diese Mission nicht mehr wahrnehmen konnte. „Ich habe immer gesagt, dass, wenn jemals der Tag kommen sollte, an dem ich nicht länger meine Aufgaben und Erwartungen als Apple-Chef erfüllen kann, ich der Erste wäre, der das mitteilt“, schrieb Jobs Ende August 2011 an den Aufsichtsrat und die Belegschaft. „Leider ist dieser Tag gekommen. Ich trete hiermit als CEO von Apple zurück.“

Stabübergabe an Tim Cook im Sommer 2011

Die Übergabe des Vorstandspostens an Tim Cook war von langer Hand geplant: „Steve rief mich am Wochenende an und sagte: ‚Ich würde gerne mit dir reden‘“, erinnerte sich Cook später im Gespräch mit Bloomberg. „Ich möchte, dass es einen professionellen Managementwechsel gibt“, erklärte Jobs. „Das hatte es bei Apple noch nie gegeben, der letzte Vorstandschef wurde immer gefeuert, und dann kommt der Nachfolger von außen. Ich werde dem Vorstand vorschlagen, dass du CEO wirst und ich Aufsichtsratschef“, eröffnete Jobs Cook. Doch nur ganze sechs Wochen später ist der Apple-Gründer seinem Krebsleiden erlegen.

„Ich glaube, dass Apples strahlendste und innovativste Tage noch vor uns liegen“, formulierte Jobs in einem offenen Brief hoffnungsvoll sein Vermächtnis. Ob der Apple-Gründer mit dieser Einschätzung recht hatte, erscheint in den vergangenen zwölf Monaten weitaus fraglicher als in den ersten. Auch wenn Apple an der Börse zwei Jahre nach Jobs’ Abschied immer noch höher notiert, ist die jüngste Entwicklung im höchsten Maße beunruhigend. Vor einem Jahr waren Anleger zum iPhone-5-Launch noch bereit, mehr als 700 Dollar je Anteilsschein für den Kultkonzern aus Cupertino zu bewilligen, nun sind es nach einem Jahr des steilen Absturzes und mühsamen Comebacks gerade mal noch 465 Dollar.

Tim-Cook-Ära beginnt mit Licht und Schatten

Die Skepsis der Wall Street kommt nicht von ungefähr. Nach Jahren des phänomenalen Wachstums unter Steve Jobs, der Apple seit seiner Rückkehr 1997 vom Fünf-Milliarden-Dollar-Unternehmen zum 350-Milliarden-Dollar-Koloss machte, ist der iKonzern nun offenbar an die Grenzen seines Wachstums gestoßen. Bemerkenswerterweise fällt das Erreichen des Zenits fast mit dem Ausscheiden von Steve Jobs zusammen, was bei der Beurteilung von Tim Cooks zweijähriger Amtszeit zu vorschnellen Urteilen führt.

Dabei hatte der langjährige COO zur Stabübergabe vor zwei Jahren einen wahren Traumstart. Cook übernahm Apple mit dem vollen Rückenwind der Steve-Jobs-Ära, die durch den überwältigenden Erfolg von vier bahnbrechenden Innovationen geprägt war: iMac, iPod, iPhone und iPad.

Vor allem die mit Abstand wichtigste Konzernsäule boomte auch im vierten Jahr ohne Anzeichen einer Sättigung: Das iPhone, Steve Jobs’ bei Weitem größter unternehmerischer Erfolg, war ein ungebrochener Verkaufsschlager, auf den sich auch Cook verlassen konnte. Weil Apple ein iPhone-Upgrade erstmals im Herbst durchführte, explodierten die Verkäufe im Weihnachtsquartal 2011 förmlich. Drei Monate später wiederholte sich die Geschichte beim iPhone-4s-Start in China. Es war ein trügerischer Triumph, der Cook mit einem Anstieg des Aktienkurses von 400 auf 700 Dollar binnen nur eines Dreivierteljahres Vorschusslorbeeren einbringen sollte, die er in den vergangenen zwölf Monaten umso schmerzhafter verspielen sollte.

Chaos in Jobs’ letztem Jahr: Apple verpasst erstmals einen großen Trend

Dabei liegt der Kern des Problems im letzten Jahr der Steve-Jobs-Ära: Nach vier extrem erfolgreichen Jahren, in denen Apple den Smartphone-Markt mit seinem iPhone bestimmt hatte, verpasste Cupertino 2011 erstmals einen Trend. Dass Jobs, der im Zuge seiner schweren Krebserkrankung bereits 2009 und 2010 mit dem Tod rang und im Januar 2011 seine dritte und letzte Auszeit vom operativen Geschäft ankündigte, kaum mehr federführend am iPhone 4s mitarbeitete, sondern sich bis zu seinem Todestag bereits mit dem iPhone 5 beschäftigte, ist hinlänglich dokumentiert. Siri wurde Jobs erst am Tag seines Rücktritts auf dem Apple-Campus von Scott Forstall vorgeführt.

In diesem Vakuum des Übergangs 2011 geriet Apples Erfolgsmaschine erstmals seit einer Dekade außer Tritt. Warum in Cupertino den Trend zu Smartphones mit größeren Bildschirmen – den sogenannten Phablets – keiner ernst nahm, ist eines der großen Rätsel der Post-Steve-Jobs-Ära. Selbst als das iPhone 5 ein Jahr später auf den Markt kam, wirkte es gegen das Trendgerät, Samsungs Galaxy S3, erstaunlich klein.

Zwölf Monate später ist Apple erstmals, seitdem es mit dem iPhone die Smartphone-Branche revolutioniert hat, ins Hintertreffen geraten. So ansprechend das 5c aussieht und so kraftstrotzend das 5s unter der Oberfläche auch daherkommt – Apples iPhones wirken gegenüber der Phablet-Konkurrenz in ihrer Größe wie Geräte von gestern. Ob die Loyalität der Kunden, die Kraft der Marke und die Fortschrittlichkeit von iOS 7 diesen Malus ausbügeln können, werden die nächsten Quartale zeigen. Mit einem großen iPhone kontern können wird Apple aber wohl erst in zwölf Monaten.

Buch zum Thema: „Das Apple-Imperium“ von Nils Jacobsen

Wie geht es weiter bei Apple? Unseren Autor Nils Jacobsen beschäftigt diese Frage brennend, wie maclife.de-Leser von seiner wöchentlichen AAPL- Kolumne wissen. Der erfahrene Wirtschaftsjournalist (manager-magazin.de) und Techblogger bei MEEDIA hat sich nach dem Anbruch der neuen Ära unter Tim Cook an sein erstes Apple-Buch gemacht, das den Aufstieg des Imperiums nachzeichnet – und kritisch hinterfragt, was den möglichen Untergang bedeuten könnte. „Das Apple-Imperium“ erscheint im November beim Springer Gabler Verlag.

Was würde Steve heute tun?

Die Frage, ob Steve Jobs im Vollbesitz seiner Kräfte dieser strategische Fehler auch unterlaufen wäre oder ob ihn Tim Cook – von dem Jobs selbst explizit in der Biografie von Walter Isaacson sagt, er begeistere sich „nicht wirklich für die Produkte“ – in der Frühphase als Konzernchef allein zu verantworten hat, wird niemals mehr aufgelöst werden.

Die Diskussion um die Führungsqualitäten von Jobs’ Nachfolger verselbstständigt sich unterdessen immer weiter. Daran ist Tim Cook mit seinen unglücklichen öffentlichen Auftritten, vor allem aber der großen Produktlücke dieses Jahr selbst schuld. Mehr denn je stellt sich zum zweiten Todestag von Steve Jobs die Frage, wie der Kultkonzern dastehen würde, wenn sein Gründer ihn heute noch führen würde.

Wäre ein Jahr wie 2013 auch unter Jobs denkbar gewesen? Elf Monate ohne neue Produkte? Die seltsame Kommunikation mit Analysten, bei Verkündung der Quartalsbilanz von nun an einen „realistischen Ausblick“ geben zu wollen? Die mehrfachen öffentlichen Entschuldigungen wegen Apple Maps und Garantiebedingungen in China? Die extrem aggressive Verwendung von Barmitteln zu Aktienrückkäufen und Dividendenausschüttungen statt einer passenden Übernahme? Und immer wieder das Versprechen vor Investoren, noch „unglaubliche neue Produkte“ in Planung zu haben, um sich dann doch in vagen Andeutungen zu verlieren.

Es braucht nicht besonders viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass das Apple unter Steve Jobs heute anders aussehen würde. Selbst wenn die Produkt-Pipeline nach dem iPad zunächst erschöpft gewesen sein mag und in der Produktion des Apple-Fernsehers, von dem in der Isaacson-Biografie vor zwei Jahren bereits explizit die Rede war, offenkundig etwas schiefgelaufen ist – Steve Jobs vermittelte immer das Gefühl, dass Apple unter ihm unantastbar war, dass er immer ein letztes Ass im Ärmel hatte – das viel zitierte „One more thing …“.

„You worry about the back covers, I’ll worry about the front covers“, zitiert „Fortune“-Journalist Adam Lashinky in seinem Buch „Inside Apple“ eine der wichtigsten Fähigkeiten Steve Jobs’: Das Apple-Team sollte den Laden am Laufen halten, der iGod hielt die Kommunikation am Laufen und dem Team den Rücken frei. Zwei Jahre nach seinem Tod wird diese Qualität bei Apple am schmerzlichsten vermisst: die Präsenz des großen Kommunikators.

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Ich mag den Jacobsen einfach nicht. Und jetzt schreibt er auch noch ein Buch...
Nein, ich mag ihn nicht!

Auch unter Steve Jobs gab es lange Phasen ohne neue Produkte, sogar längere als 11 Monate und niemanden hats gestört. Auch Steve Jobs hätte vermutlich den Trend zum Phablet verschlafen (wenn er den wirklich ein Trend sein sollte), so wie er auch keine 7-Zoll iPads wollte.
Auch Steve hat sich öffentlich bei massenwirksamen Problemen entschuldigt (Antennagate). Und dieses "One more Thing..." Kam auch nicht bei jeder Keynote von ihm. Apple ist ohne Jobs heute anders als damals mit ihm. Na und? Er fehlt sicher als Mensch, aber hört endlich auf ständig rumzujammern, dass mit ihm alles besser (für wen denn?) wäre...

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Könnt ihr euch nicht lieber für Samsung entscheiden ?
Wo stand denn aapl als Tim cook ceo wurde ? Sicherlich nicht bei 700 $ !!!

Also, wir schließen einfach Maclife und ihr nennt euch SamsLife
und habt dann endlich was ihr schon seit Monaten herbeinörgelt :)

Was ich beim besten Willen nicht verstehen kann, ist dass alle ständig neue Produkte bzw. neue Funktionen herbeiwünschen. Warum eigentlich? Ich muss in meinem Umfeld leider feststellen, dass nicht einmal die vorhanden von allen beherrscht werden. Soll das iPhone uns noch den Hintern abwischen?

Ich stehe zu den Apple Produkten! Ich kenne bisher keine Produktpalette von Computer, Tablett und Mobiltelefon die mit der vorhandenen Betriebssystemsoftware so auf die normalen Bedürfnisse des Anwenders eingeht. Vor allem es funktioniert. Alle die ich bisher überzeugen konnte ein Apple-Produkt zu kaufen, haben es nicht bereut.

Ich hoffe nur, dass Apple seine Stärken des Zusammenspiels seiner Systeme mehr in den Mittelpunkt rückt als bisher, dann werden sich noch manche überzeugen lassen.

Es müssen nicht alle 6 bis 12 Monate neu Produkte auf dem Markt erscheinen, die dann nur marginale Veränderungen mit sich bringen.

@hjnet

Ja, sehe ich auch so!

Oh ja, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mir ein Galaxy-großes Ungetüm ans Ohr halten zu müssen und als ohnehin nicht aktiver Mensch möchte ich als mein Telefon ein möglichst riesiges Gerät mit mir herum schleppen wie all die anderen Affen in ihren Hosen, die bis zu den Knien die Beine zusammengenäht haben, damit sie nur noch schlurfen statt gehen können, "Digger-Digger" grunzend mit Ausspucken alle fünf Sekunden, nur noch in der Lage Whatapp zu bedienen, fern jeglicher Kommunikation.

Ein so innovatives Unternehmen wie Samsung kümmert sich ja rührend um diese Konsumenten, traurig, dass Apple den großen Trend verschläft.

Vielen Dank Herr Jacobsen,

nach dem Lesen dieses Artikels kann ich mir Ihr Buch nun sparen. Wer, unabhängig von der Tatsache, wer ihn verpennt hat oder hätte, der Meinung ist, Smartphones mit größeren Displays seien ein verpasster Trend, sollte kein Buch über Apple schreiben.

Es geht bei Apples Produkten nicht darum, jedem Trend auf dem Markt zuvor zu kommen oder hinter her zu hecheln. Es geht um tolle Produkte. Dass diese dann zum Trend im Markt werden, wenn man als erster auf die Idee kommt ist lediglich ein - wenn auch angenehmer - Nebeneffekt.

Wenn man diese Erkenntnis berücksichtigt ist nur zu hoffen, dass Apple kein noch kleineres iPad mini als nächstes iPhone auf den Markt bringt. Wer will denn so etwas haben? Mal ganz abgesehen davon, dass Apple bereits mit dem iPhone 5 ein "größeres" Smartphone entwickelt hat. Entscheidender Punkt war hierbei aber, dass man das Gerät mit einer Hand bedienen kann. So wie man es von einem Mobiltelefon auch erwartet. Es ist dieser intuitive Umgang mit dem Wesen eines Produktes, der die meisten Produkte von Apple auszeichnet.

Hoffen wir, dass sich daran auch in Zukunft nichts ändert!

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