Test: „Mittelerde: Mordors Schatten“ für den Mac

Wer eine Erzählung vom Schlage eines echten Tolkiens erwartet, wird von „Mittelerde: Mordors Schatten“ ein klein wenig enttäuscht sein. Die Geschichte nämlich passt auf jeden Bierdeckel und ist schnell erzählt. In der Rolle Talions, einem Waldläufer Gondors, gilt es, schlicht die eigene Familie zu rächen, die bei einem Angriff von Saurons Streitkräften ums Leben kam. Der Twist: Auch Talion selbst wurde niedergemetzelt, doch der Tod blieb ihm versagt. Stattdessen stellt er sich, weder tot noch lebendig, den Uruks entgegen – mit magischen Kräften ausgestattet und an der Seite eines geheimnisvollen Geists …

Schaut man auf das eigentliche Gameplay, bedient sich „Mordors Schatten“ zumindest auf den ersten Blick großzügig bei anderen Spiele-Blockbustern der vergangenen Jahre. Das Erkunden und Klettern in einer grafisch opulent dargestellten 3D-Welt, das Missionssystem und die Sammaufgaben hat man so oder zumindest ähnlich bereits beim Kassenschlager Assassin‘s Creed gesehen. Im Gegensatz zur seit Jahren nicht mehr für den Mac umgesetzten Hitserie von Ubisoft übertreibt es „Mordors Schatten“ aber nicht mit Nebenaufgaben und beschränkt sich auf das Sammeln etwa von Heilkräutern und die Jagd auf Tiere.

Klettern hin, sammeln her: Den größten Teil der rund 20 Stunden Spielzeit verbringt man im blutigen Kampf mit den Uruks. Die deftigen Keilereien mit den großen Orks erinnern in ihrer Mechanik an das „Freeflow“ betitelte Kampfsystem aus den Batman-Spielen der Arkham-Serie, bei dem es im richtigen Augenblick den richtigen Knopf zu drücken gilt – das geht auch hier gut von der Hand und vermag auch im hundertsten Kampf noch gut zu unterhalten.

Doch es findet sich auch Neues in „Mordors Schatten“. Das Nemesis-System etwa – und das hat es in sich: Jeder der Gegner ist ein Individuum, hat ganz eigene Stärken und Schwächen. Die Feinde werden zudem durch ihre Begegnungen mit dem Spieler geprägt – je nach Spielverlauf entstehen so ganz persönliche Feindschaften. Dabei reicht das Nemesis-System sogar so weit, dass sich die Feinde gegeneinander ausspielen lassen – das gab es in dieser Form noch nie in einem Videospiel.

Die Portierung auf den Mac leistet sich jenseits hoher Systemanforderungen keine Schwächen. Mindestens 8 GB Arbeitsspeicher, ein mit 2,4 GHz getakteter Prozessor und eine aktuelle Grafiklösung (AMD ab R9, NVIDIA ab 6er-Serie oder Intel Iris Pro) sind mindestens nötig, um Mittelerde flüssig darzustellen. Immerhin: Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss man sich nicht mit Slow-Downs, Abstürzen und anderweitigen technischen Spaßbremsen herumärgern, denn Feral Interactive hat auch bei dieser Umsetzung gute Arbeit geleistet. Unser einziger Kritikpunkt in Sachen Technik ist das leider sehr eng gewählte Sichtfeld, welches die Mac-Umsetzung von der im vergangenen Herbst erschienenen Windows-Version geerbt hat.

Die Eloquenz und Magie der literarischen Vorlage vermag Mordors Schatten schlussendlich nicht einzufangen. Dafür ist der Racheplot rund um die profillose Hauptfigur zu simpel gestrickt. Als kampflastiges Action-Adventures steht das Spiel aber auch gar nicht unter dem Zwang, eine tiefgründige Geschichte erzählen zu müssen. Auf der Haben-Seite verbucht Mordors Schatten nämlich formidable Spielmechaniken und mit dem Nemesis-System eine nicht nur tolle, sondern auch gut umgesetzte Idee.

Fazit

Dank des Nemesis-Systems werden Computergegner zu ganz persönlichen Feinden und „Shadow of Mordor“ so zum erinnerungswürdigen Action-Adventure.