Das zweite Gesicht

Wer hat Angst vor Face ID?

Das iPhone X sticht vor allem durch ein Feature hervor, das sonst kein anderes iPhone bietet: Face ID. Dahinter verbirgt sich Apples Ersatz, respektive Weiterentwicklung von Touch ID zur Authentifizierung eines iPhone-Benutzers. Dabei kommen ausgefeilte Gesichtsterkennungssysteme zum Einsatz, die nicht nur benutzt werden, um das iPhone zu entsperren, sondern beispielsweise auch, um sich auf Websites oder in Apps anzumelden oder Zahlungen im App Store abzunicken. Face ID ist also eine spannende Neuerung. Aber birgt es wirklich so viele Gefahren, wie Kritiker behaupten?

Von   Uhr

Apple setzt voll auf die neue Technologie und es darf keinen wundern, wenn Face ID auch bald Bestandteil von iPads und Macs wird. Aber längst nicht alle Beobachter reagieren mit Enthusiasmus und Euphorie auf Face ID. Im Wesentlichen gibt es drei große Bedenken gegenüber Face ID, die Apple ausräumen muss:

1. Viele iPhone-Besitzer fürchten, dass Face ID in der Realität nicht so gut funktioniert wie in Apples Werbevideos – oder sogar schlechter als Touch ID.

2. Eine weitere Angst ist, dass Face ID nicht so sicher ist wie Touch ID und unbefugten Zugang zum iPhone gewährt.

3. Nicht nur in Deutschland wird hinter Face ID ein lauernder Datenschutz-GAU vermutet.

Gesichtsauswahl

Es ist wichtig, dass Face ID zuverlässig funktioniert. Man nutzt es ständig, denn es ist eben nicht nur eine nützliche Zusatzfunktion, um Emojis zu animieren, sondern der Schlüssel zu allem. Entsprechend peinlich ist es nicht nur Apple, sondern auch iPhone-Benutzern, wenn Face ID nicht funktioniert.

Keine Home-Taste, kein Touch ID. Laut Apple sinkt mit Face ID die Wahrscheinlichkeit einer fälschlichen Entsperrung von 1:50.000 auf 1:1.000.000.
Keine Home-Taste, kein Touch ID. Laut Apple sinkt mit Face ID die Wahrscheinlichkeit einer fälschlichen Entsperrung von 1:50.000 auf 1:1.000.000. (Bild: Apple)

Um dies zu vermeiden, hat man bei Apple mehr als eine Milliarde Aufnahmen von Gesichtern gescannt und verarbeitet. Kritiker hinterfragen hier bereits die Bildauswahl und verweisen auf die Vergangenheit: HP blamierte sich beispielsweise mit einer Web-Cam, die Probleme mit dunkelhäutigen Menschen hatte. Während sich einige Gedanken über eine mögliche Bevorzugung bestimmter Ethnien durch Apple machen, fragen sich andere, wo eigentlich die Fotos von einer Milliarde Gesichtern herkommen.

In der Realität stellten sich bislang zumindest erstere Bedenken als unbegründet heraus. Face ID funktioniert überwiegend wie beworben und Apple hat kaum mit schlechter Presse zu kämpfen.

Gefälschte Gesichter

Mit viel Häme hatte Apple-Konkurrent Samsung zu kämpfen, als klar wurde, dass man deren Gesichtserkennungssoftware zum Entsperren von Android-Telefonen mit Fotos austricksen kann. Das für sich genommen ist schon schlimm genug – noch schlimmer wird es aber, wenn, wie bei Apple mit Apple Pay, auch noch Zahlungsmöglichkeiten bestätigt werden. Um es möglichen Angreifern so schwer wie möglich zu machen, projiziert die zu Face ID gehörende TrueDepth-Kamera über 30.000 Infrarot-Punkte auf das Gesicht und erstellt daraus sowohl eine 2D- als auch eine 3D-„Landkarte“. Diese werden mit einer zufälligen Auswahl an Fotos verknüpft und als mathematischer Ausdruck gespeichert. Außerdem sollen über intelligente Systeme Versuche, das iPhone mit Masken oder ähnlichem zu täuschen, erkannt werden.

Damit Angreifer – oder auch Polizisten – nicht einfach Ihr iPhone entsperren können, indem Sie es vor Ihr Gesicht halten, erkennt das iPhone X, ob Sie ihm gerade Ihre Aufmerksamkeit schenken. Guckt man nicht in Richtung der Kamera, wird das iPhone X nicht entsperrt. Außerdem versetzt das 5-malige Drücken des Ein-/Ausschalters das iPhone in SOS-Modus, der Face ID komplett deaktiviert.

Inzwischen ist es allerdings findigen Tüftlern aus Asien gelungen Face ID sehr wohl mit aufwändigen Masken auszutricksen. Aber immerhin ist dafür offenbar ein größerer Aufwand notwendig als zum Beispiel für die Überlistung von Touch ID. Bleibt die Erkenntnis: wer höchsten Wert auf seine Daten legt, der ist nach wie vor mit einem Passwort am besten beraten.

Der A11-Bionic-Chip verfügt über ein „neuronales Netzwerk“, das die 
Face-ID
-Daten abgleicht und vor Täuschungsversuchen mit Masken oder Fotos schützen soll.
Der A11-Bionic-Chip verfügt über ein „neuronales Netzwerk“, das die Face-ID -Daten abgleicht und vor Täuschungsversuchen mit Masken oder Fotos schützen soll. (Bild: Apple)

Face ID erkennt, ob Sie in Richtung des Telefons blicken und entsperrt das iPhone X nur dann.
Face ID erkennt, ob Sie in Richtung des Telefons blicken und entsperrt das iPhone X nur dann. (Bild: Apple)

Privatsphäre adé?

Ein 30.000 Bildpunkte starkes 3D-Abbild eines jeden Gesichts wäre ein wahres Geschenk für die Überwachungsfetischisten im Innenministerium und erst recht in demokratiefernen Staaten. Und natürlich auch für die Werbeindustrie, könnte über solche Bilddaten doch gegebenenfalls erfasst werden, was uns wirklich interessiert. Müssen wir also fürchten, dass unsere Gesichtsdaten bald genauso verkauft und ausgenutzt werden, wie schon jetzt unser Klickverhalten im Internet? Apple versucht das nach Kräften zu verhindern: die Face-ID-Daten landen nicht in der Cloud und auch nicht in lokalen Back-ups,sondern verbleiben auf dem Gerät. Aufnahmen, die gemacht werden, um Bilder mit der Face-ID-„Gesichtslandkarte“ abzugleichen, werden sofort nach Gebraucht gelöscht.

Aber was ist mit Apps anderer Anbieter? Die bekommen die Face-ID-Daten auch nicht zu sehen. Sie bekommen nur ein „Ja“ oder „Nein“ von der Face-ID-Programmierschnittstelle zurückgeliefert. Edward Snowden, den modernen Helden, der den Überwachungsskandal um unter anderem die National Security Agency (NSA) und den Bundesnachrichtendienst (BND) aufdeckte, überzeugt das allerdings nicht. Er geht davon aus, dass die Technologie früher oder später missbraucht werden wird. Sicherheitsforscher Trent Lapinski gibt zu bedenken, dass es sich bei Face ID um ein Geschenk handele, dass nie mehr zurückgenommen werden könne. Die eigentliche Sorge bezieht sich dabei aber gar nicht auf Apples Face ID, sondern darauf, dass Apple hier einen Weg ebnen könnte, der Gesichtserkennung normal werden lässt. Auch bei deutlich unsicheren Systemen und für deutlich profanere Zwecke

In den USA gehören auch Politker zu den Kritikern von Face ID. Senator Al Franken wandte sich an Apple-Chef Tim Cook mit der Frage, ob Apple Face-ID-Daten mit Strafverfolgungs- oder anderen Behörden teilen würde. Apple beantwortete die Frage nicht direkt, sondern verwies darauf, dass die Daten in einem gesicherten Bereich des Prozessors („Secure Enclave“) gespeichert würden. Das impliziert, dass nicht einmal Apple selbst Zugriff auf die Daten hat.

Fazit

Wie steht es also um Face ID? Ist die Technologie wirklich der reine Albtraum für alle, die Wert auf ihre Privatsphäre legen? Natürlich kann man die Möglichkeit, dass das iPhone X, beziehungsweise die Secure Enclave, eines Tages gehackt wird, nicht ausschließen. Das kann man nie. Bei keiner Technologie. Nach unserem Dafürhalten tut Apple alles erdenkliche, um die Daten so gut wie möglich abzusichern.

Ermöglicht Face ID den Zugriff Fremder auf Ihr iPhone X? Ja, theoretisch schon. Dabei ist Face ID nach aktuellem Kenntnisstand aber tatsächlich sicherer oder zumindest schwieriger zu umgehen als Touch ID. Wer also Touch ID genutzt hat, muss sich an dieser Stelle vor Face ID nicht fürchten.

Und auch in der Praxis sehen wir keine Nachteile von Face ID gegenüber Touch ID. Es hat lediglich in anderen Fällen Probleme. Nicht mit feuchten Fingern, sondern beispielsweise mit zu sehr verdeckten Gesichtern.

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Touch ID ist gefährlich, Face ID ist gefährlich, Durchfall ist gefährlich. Immer das selbe. Das ganze Leben ist gefährlich. Es wird gerne vieles übertrieben. Immer schön nüchtern betrachten.

Man muss dem Autor aber zu Gute halten, dass er hier nicht auf der Negativ-Welle schwimmt. Der Titel ist allerdings etwas unglücklich gewählt, denn er kann mit einem Satz beantwortet werden: Eingeschüchterte Leute. Wahrscheinlich vorrangig von den Negativ-Medien, die ja unseren Alltag bestimmen.

Ansonsten stimme ich Dir zu: Alles ist gefährlich, wenn für mich das Glas grundsätzlich halb leer ist. Die Gewöhnung des Menschen an die Vorteile der Technologie wird auch in meinen Augen Folgen haben, wenn sich Billiganbieter damit brüsten, dieselbe Technologie anzubieten. Google ist bestimmt schon ganz heiß darauf noch mehr spezifischere Daten zu bekommen - und weiter zu verkaufen.

Alles andere ist für mich nicht relevant. So wichtig bin ich nicht.

Touch ID war bei mir 10x zuverlässiger als Face ID. Nun ist nix mehr mit Handy auf dem Tisch liegend nutzen...

Sorry, das stimmt nicht.....bei mir funktioniert Face ID sehr sehr gut....

Ist Face ID sicher?
Aktuell scheinbar, aber wird das in Zukunft auch so sein. Eher nicht!

Könnten die gewonnen Daten dieses Funktion der Überwachung aller Menschen dienlich sein?
Ja

Wollen wir einen Überwachungsstaat?
Nein

Die Frage ist, in was für einer Welt wollen wir leben?

Wollen wir den Mächtigen in der Welt alles in die Hand geben, was zur Kontrolle benötigt wird?

Gruß, Thomas

@ Sanders: hab ja auch nur geschrieben, dass bei MIR Touch ID besser war. Und es funktioniert definitiv nicht, wenn das Handy vor einem auf dem Tisch liegt, denn da sieht einem die Kamera nicht (kann man beim Einrichten von F ID sehen).

Da gibst Du dann einfach den Entsperrcode ein und schon kannst Du es benutzen. Auch ohne Face ID in diesem Fall.

Moin,

eigentlich müsste Face ID ja ein Traum für die Werbung sein. Wenn ich jetzt ein Spiel habe das Werbung abspielt und man danach weitermachen kann, gehe ich auf Klo oder schau auf den Fernseher bis die Werbung durch ist, mit FaceID könnte man doch quasi gezwungen werden auf das Handy zu gucken und so aktiv die Werbung zu sehen.

Ich habe aber weder ein iPhone X noch eine Ahnung was Apple genau den Entwicklern im Bereich Face ID erlaubt.

Guten Rutsch

sedl

Funktioniert perfekt . Ist lernfähig und nach 1 x codeeingabe sogar mit Skihelm.
Wenn jemand Angst hat dann bitte gar kein Smartphone zulegen, keine Bilder machen, von der Telefonzelle telefonieren und ja keine Speichermedien verwenden. UND DAS WICHTIGSTE!!! >> UM GOTTESWILLEN NIE ONLINE GEHEN

@mikemd
sehe ich genau so.

Wobei den Sinn von FaceID den sehe ich wie den Nutzen noch nicht, daher kein wirklicher Benefit.

Modern und cool, auch Zukunft - ok.

Vielleicht kommt da noch sehr viel mehr, irgendwann.

@Falke: super, dann bin ich also so weit wie mit nem iPhone von vor 5 Jahren - nur doppelt so teuer.

Ich habe mir jetzt das iPhone 8Plus geleistet und bleibe bei Touch ID. So hat auch meine Frau Zugang, das war uns wichtig. Bei Face ID leider nur einer.
Sich ist alles nur solange bis es geknackt ist. Das gilt auch für Face ID. Ich wünsche mir aber das es beim nächsten iPhone von mehreren Benutzern genutzt werden kann.

Geht das entsperren nicht auch mit Code?

@Sandeet, ja geht schon. Aber bisschen Bequemlichkeit muss sein.

.
Apple wird wohl nicht diesen Entwicklungsaufwand betrieben haben um
lediglich die Eingabe des Entsperrcodes zu ersetzen.
Die Technologie dazu ist so komplex dass man sich schon fragen könnte:
Wozu soll das tatsächlich dienen ? Wir werden's erleben was dammit nun
alles möglich sein wird . . .

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