Becoming Steve Jobs: Die bessere Jobs-Biografie?

Nur wenige Menschen erreichen bereits zu Lebzeiten den Status einer Legende – so wie Apple-Mitbegründer Steven P. Jobs, der bereits Mitte der 1980er-Jahre als eine der Ikonen des IT-Zeitalters gekrönt wurde. Entsprechend viele Bücher beschäftigen sich mit seinem Leben und Werk. „Becoming Steve Jobs“ sticht dabei aus der Masse an Neuerscheinungen heraus.

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Da ist sie nun, die zweite große Biografie über einen der wichtigsten Unternehmenslenker der vergangenen Jahrzehnte. Die 2011 erschienene und viel gelobte Biografie aus der Feder des Schriftstellers und Biografen Walter Isaacson zeichnete trotz der Wiedergabe vieler persönlicher Details aus Jobs bewegter Lebensgeschichte ein eher eindimensionales Bild von dessen Persönlichkeit. Der Fokus von „Becoming Steve Jobs“ liegt andernorts, auch und gerade aufgrund einer vollkommen anders gelagerten Autorenschaft. Das macht die neue Biografie spannend – auch diejenigen, die glauben, Jobs durchschaut zu haben und zu kennen, finden hier neue Aspekte, die das Puzzle komplettieren helfen.

Die Autoren

Autor Brent Schlender ist IT-Journalist der ersten Stunde und berichtet seit den 1980er-Jahren über die Größen des Silicon Valleys. Und das nicht für irgendwen, sondern für die Schwergewichte unter den US-amerikanischen Wirtschaftsmedien, das Wall Street Journal und Fortune. Auch wenn der Kontakt von Schlender zu Jobs rein beruflicher Natur war, begleitete er den Werdegang des Apple-Gurus journalistisch seit dessen Tagen als Lenker und Denker hinter NeXT, einer von Steve Jobs weiteren Unternehmungen. Entsprechend detailliert, wenn auch nicht gänzlich vollständig, ist das von Schlender mit Unterstützung seines Kollegen Rick Tetzeli gezeichnete Bild des als Genie verehrten Apple-Chefs.

Der Inhalt

Der Prolog gibt den Ton für die folgenden rund 400 Seiten vor. Aus dem Nähkästchen geplaudert schildert Schlender sein erstes Zusammentreffen mit Jobs 1986. Jobs hatte nach seinem Ausscheiden bei Apple gerade NeXT gegründet und wusste um den Wert von guter Öffentlichkeitsarbeit – ein Spagat, denn Jobs war als recht sperriger Interviewpartner bekannt. Auch Schlender wurde von seinen Kollegen gewarnt: Ein Gespräch mit dem Apple-Mitbegründer sei mehr ein Kampf als ein lockeres Fragespiel. Doch schnell war das Eis zwischen den beiden nahezu Gleichaltrigen gebrochen. Der unausgesprochene Deal der folgenden Jahre lautete „gute und möglichst exklusive Stories“ gegen „hohe Reichweite in den wichtigsten Wirtschaftsmagazinen“.

Schlender bezeichnet sich selbst nicht als engen Freund der Familie, war aber dennoch lange Zeit beruflich eng mit Jobs und dessen Arbeit verbunden. Der Untertitel der Biografie, „The Evolution of a Reckless Upstart into a Visionary Leader“, zu deutsch etwa „Die Evolution eines rücksichtslosen Emporkömmlings in einen visionären Führer“, verspricht uns nicht zu viel, der Fokus der Biografie ist treffend beschrieben: Die vergangenen rund 10 Jahre, in denen Apple vom Erfolg des iPhones geprägt wurde, sind kaum ein Thema. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der spannenden Zeit zwischen Jobs Weggang von Apple 1985 und seiner Rückkehr im Jahre 1997 als „iCEO“ – die Zeit, in der der Geschäftsmann Steve Jobs erwachsen wurde und die Basis für seine späteren Erfolge gelegt wurde.

Neue Einblicke?

Handwerklich ist „Becoming Steve Jobs“ gut gemacht, der Werdegang des Steven P. Jobs und auch die Entwicklung seines Charakters werden nachvollziehbar geschildert. Neben den eigenen Aufzeichnungen aus dem Archiv der Verfasser dienten Gespräche mit Kollegen und Freunden als Quelle – diese finden sich persönlich kommentiert im Anhang.

Doch welchen Wert hat die neue Biografie unterm Strich, welche neuen Erkenntnisse bringt das fast 500 Seiten starke Werk? Ist „Becoming Steve Jobs“ die bessere Biografie des Apple-Mitbegründers?

Ginge es nach Apple, würde die Antwort auf letztere Frage eindeutig „Ja“ lauten. Auf den letzten Seiten kommt Cook zum Wort:

„Ich dachte, dass das Walter Isaacson Buch ihm einen Bärendienst erwiesen hat. Es war nur ein Aufguss einiger Dinge, die bereits geschrieben wurden und konzentrierte sich auf kleine Teile seiner Persönlichkeit. Man hat das Gefühl, dass Steve ein gieriger, egoistischer Egomane war. Die Person wurde nicht verstanden. Mit der Person, über die ich dort gelesen habe, hätte ich nie die ganze Zeit hinüber arbeiten wollen. Das Leben ist zu kurz.“

Diskussionsrunden zu „Becoming Steve Jobs“ in Apple Stores und eine prominente Platzierung im hauseigenen E-Book-Shop iBookstore deuten ironischerweise auf das Fortbestehen der die Zusammenarbeit von Schlender und Jobs flankierenden unausgesprochenen Vereinbarung aus: Man ist aufeinander angewiesen, eine Hand wäscht die andere.

Doch Apples Sicht auf „Becoming Steve Jobs“ ist nicht ausschlagebend. Die 2011 erschienene und von Jobs persönlich autorisierte Biografie von Walter Isaacson erscheint uns vollständiger, aber tatsächlich zu eindimensional bezüglich des offensichtlich ambivalenten Charakters Jobs, der bei Isaacson als unsensibler, egozentrischer Visionär dargestellt wird. Man darf, wie so oft im Leben, vermuten, dass sich der wahre Charakter des Steve Jobs irgendwo zwischen den in beiden Büchern gezeichneten Extremen wiederfinden dürfte. „Becoming Steve Jobs“ ist deshalb eine Empfehlung wert. Es ist gut recherchiert, sauber belegt und eloquent zu Papier gebracht. Und es ergänzt die offizielle Biografie um die dort zu kurz gekommenen Aspekte der „Apple-losen“ Episode in Jobs Leben – in „Becoming Steve Jobs“ steht die spannende Entwicklung der Persönlichkeit Steve Jobs’ im Mittelpunkt.

Becoming Steve Jobs: The Evolution of a Reckless Upstart into a Visionary Leader

Das Buch ist am 24. März 2015 im Crown Business Verlag erschienen. Neben der englischsprachigen, 464 Seiten starken Hard-Cover-Ausgabe, ist die Biografie auch als ungekürztes rund 16-stündiges Hörbuch (amazon.de, audible.de) und E-Book (iBookstore, Kindle) erhältlich. Die Ankündigung einer deutschen Übersetzung stand zum Redaktionsschluss noch aus, dürfte aber nicht lange auf sich warten lassen.

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